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Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Titel: Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Ungeduld. »Wo, wo, wo? Welche Mauern? Welcher Geschmack in der Luft? Welche Korridore? Was für Türen führen hinaus? Hinein? Welche Fenster? Vorhänge? Möbel? Was sah man durch die Fenster? Wo, wo?«
    Mir fiel bloß das Zimmer im Gästehaus ein, und ich versuchte, mich auf eine Art daran zu erinnern, die Hafnor zufriedenstellen mochte. Plötzliche Erinnerungen kamen an die Oberfläche, Erinnerungen, von denen ich gar nichts gewußt hatte, die Farbe und das Geräusch des Feuers, das Gefühl des wollenen Teppichs unter meiner Hand, der Geruch von Poliermittel auf den Möbeln. Die Erinnerungen stürmten von allen Seiten auf mich ein, und ich ließ Hafnors winzige Figur erschrocken fallen, schwer atmend wie ein überhitztes Pferd. Als ich mich wieder gefaßt hatte und etwas klarer denken konnte, sagte ich zu Chance: »Falls ich verschwinde und nicht zurück bin, bis es dunkel wird, dann geh … dann reite nach Dreibuckel. Trenn dich von diesem gelben Pferd und seinen seltsamen Schuhen. Sag jedem, den es interessiert, daß dieser junge Mann, der bei dir gewesen ist, nach Vesterstadt ging, oder meinetwegen Morgenberg. Du aber gehst nach Dreibuckel und wartest dort, gleichgültig, wie lange ich brauche. Wir werden dich dort treffen, Seidenhand und ich.«
    Er widersprach mir nicht, noch machte er viel Aufhebens. Er beobachtete mich nur und nickte, während ich Hafnor wieder in die Hand nahm. Erneut rief ich die Erinnerungen an jenes Gästezimmer herbei und sah, wie sie bildlich vor mir erstanden, eingerahmt wie in einem runden Fenster. Aus dem Augenwinkel sah ich ein anderes Fenster, das in eine durch eine Flamme erhellte Höhle wies, und ein weiteres, das den Dachboden von Mertynhaus in der Schulstadt zeigte, und noch ein anderes, durch das man die langen, halbdunklen Korridore in dem Gebirge sah, in dem die Zauberkünstler ihr Lager gehabt hatten. Ich wirbelte, sah die geöffneten Fenster um mich herum, als stünde ich mitten in einem Schwamm oder einem großen Stück Käse, überall um mich herum Löcher, die zu allen Plätzen führten, an denen ich mich je aufgehalten oder von denen ich gehört hatte. »Wo?« flüsterte Hafnor, und ich wandte mich der Öffnung zu, die das Gästezimmer in Xammer zeigte, trat hindurch und stolperte auf den Vorleger vor dem Kamin, wo ich ausgestreckt liegenblieb.
    Nachdem ich zu zittern aufgehört und Zeit gefunden hatte, aufzustehen und mich mit den Händen abzuklopfen – denn ich war immer noch mit den halbgetrockneten Gräsern von jenem Hügel neben der Straße bedeckt, weit weg im Norden –, schlich ich in den Hof hinunter und erschien dort der erstbesten Gestalt von Vorboldhaus, die ich finden konnte. Es war Spielmeisterin Joumerie, die mich neugierig ansah und mir Auskünfte gab, die mir gar nicht gefielen.
    »Seidenhand? Ach jeh, Spieler. Sie ist bereits heute morgen mit Jinian, einigen Dienern und zwei Waffenträgern, die sie beschützen sollen, weggeritten, in das Gebiet von König Kelver im Norden. Sie können aber noch nicht weit gekommen sein, jedenfalls nicht so weit, daß Ihr sie nicht einholen könntet, wenn Ihr schnell reitet.«
    Ich verabschiedete mich mit ein paar kärglichen Höflichkeitsfloskeln, bevor ich eine stille Ecke suchte, um Hafnor wieder in die Hand zu nehmen. »Was soll ich jetzt machen?« jammerte ich. »Ich muß sie finden, aber ich kenne die Straße nicht genug, um …«
    »Springkröte«, kam die lachende Stimme, die mehr als nur eine Spur boshaften Vergnügens an meiner Verwirrung enthielt. »Springkröte. Schau du nach vorn, so weit, wie es deine scharfen Augen können. Überlaß mir den Rest.« Das taten wir dann auch. Ich blickte die Straße so weit hinunter, wie ich sehen konnte, schärfte meinen Blick aufs Äußerste, spionierte den Ort vor uns aus, die Bäume, die Wasserläufe, was immer auch dort lag, Stück für Stück, und dann blitzten wir uns dorthin. Das tat ich wieder und wieder, wobei ich jedesmal die Straße dazwischen genau absuchte, um sicherzugehen, daß wir Seidenhand nicht übersehen hatten. Bis wir den Aufruhr sahen, das Schreien hörten und uns in eine Menschenmenge hineinblitzten, die wild durcheinander rief und zu dem bewußtlosen Körper eines der Waffenträger rannte, neben dem der blutende, möglicherweise tote Körper eines zweiten lag.
    Ich schüttelte einen der Umstehenden und verlangte, daß er mir rasch sagte, was geschehen war. Der Mann wies mit zitternden Fingern zum Waldrand. »Ghul«, flüsterte er. »Kam mit

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