Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
hinter sich, ließ mich mit offenem Mund zurück.
Oh, beim Eis und Wind und den sieben Teufeln, sagte ich zu mir. Warum hast du das getan?
Du hast es getan, antwortete ich mir, weil Jinian recht hat. Seidenhand möchte nicht mit dir nach Waenauge gehen. Darüber hinaus möchte sie überhaupt nicht mehr reisen. Darüber hinaus wirken ihre Augen, wenn sie König Kelver ansieht, ruhig und abwägend, wie die Augen eines Kochs, der frisches Gemüse für ein Bankett einkauft, bei dem es um seinen guten Ruf geht. Und die Möglichkeit, daß du und Seidenhand ein Paar werden könntet, besteht nicht mehr, Peter, und das ist der Grund für deinen Ärger.
Das klang nach der Wahrheit, ob ich sie mochte oder nicht, und ich mochte sie nicht. Windlow hatte mich aber mit Seidenhand im Norden gesehen. Was also würde sie jetzt tun?
Ich brachte es nicht fertig, eine glückliche Miene aufzusetzen, als ich zu dem Abendessen hinunterging, das auf König Kelvers Anordnung hin vorbereitet worden war. Ich verbeugte mich zu Jinian und entschuldigte mich für meine schlechte Laune. Ihre Lippen lächelten zur Antwort, aber in ihren Augen stand etwas Reserviertes, Würdevolles. Tja … Wir gingen hinein, um mit dem Essen zu beginnen.
Es gab natürlich Wurstgrol. Jedermann im Umkreis von fünfzig Meilen von Leamer aß Wurstgrol. Ich erinnere mich nicht, was wir sonst noch aßen. Ich weiß noch, daß Chance ständig zu sehen war, der dem einen oder anderen Diener Anweisungen erteilte, und daß Suppenschüsseln hinaus, Kannen hinein, Dessertschüsseln hinausgetragen wurden. Auf dem Tisch brannten Kerzen. Ich sah Seidenhands Gesicht, rosig übergossen in dem Lichtschein, ihre lachenden Augen dem König zugewandt. Ich sah Jinian, herzlich, ungekünstelt, die mich von Zeit zu Zeit unter geraden Brauen anschaute. Dann tranken wir Wein aus winzigen, purpurfarbenen Gefäßen, die nur aus Glas bestanden, aber so geschliffen, daß sie wie aus Edelstein gefertigt wirkten. Und dann hub der König zu sprechen an.
»Jetzt, da wir uns alle glücklich getroffen und neue Freunde geworden sind, habe ich den Wunsch, daß die Freundschaft nicht einfach ohne Grund wieder beendet wird. Deshalb wollte ich euch um die Erlaubnis bitten, daß wir euch aus der Drachendomäne nach Leamer begleiten dürfen, wohin doch eure Reise gehen soll.« Er lächelte mich gezielt an. Ich fragte mich, ob Seidenhand ihm das erzählt hatte. »Ihr habt doch nichts dagegen, junger Herr?«
Ich verneinte höflich und gab meine Zustimmung, während ich innerlich mit den Zähnen knirschte. Sollte es je ein besser gehütetes Geheimnis gegeben haben, so wußte jedenfalls inzwischen die ganze Welt davon, und es würde schwierig sein, mit dieser ganzen Meute im Schlepptau irgend etwas heimlich zu tun. Queynt, darauf bedacht, von mir nicht in Höflichkeit übertrumpft zu werden, fing zu schwatzen an.
»Oh, welch großherziges Angebot, König Kelver! Großzügig und herzlich … Ja, soviel Höflichkeit habe ich seit Barishs Zeiten nicht mehr erlebt, in denen Höflichkeit noch als eine Kunst und ein Zeichen echter Kultur galt. Die Dinge ändern sich im Laufe der Jahrhunderte, stimmt’s? Aber Höflichkeit bleibt Höflichkeit, heute wie in jedem vergangenen Jahrhundert.«
Ich hätte ihm nicht gelauscht, wäre da nicht Jinians Warnung gewesen. So hörten also nur Jinian und ich ihm zu. Er hatte solche Höflichkeit seit Barishs Zeiten nicht mehr erlebt? Ja, wie denn? Und wo war er dann die ganze Zeit über gewesen? War er ein Träumer? Ein Verrückter? Wollte er uns auf den Arm nehmen? Oder ein Spieler, der ein vielschichtigeres Spiel spielte als wir ahnten? Seine neugierigen kleinen Augen waren auf mich gerichtet, und ich bemühte mich, genauso gelöst und weintrunken auszusehen wie die anderen auch.
Am nächsten Morgen warb ich Chance vom Zahn des Tragamors ab, mit viel Aufwand und einer Menge Einwände von seiten des Wirtes. Wir verließen die Stadt, von der wir nichts gesehen hatten, und bewegten uns in einer langsamen Prozession auf der Straße nach Leamer zu, entlang dem tiefen langsamen Wasser des Flusses Reave. Für den König bedeutete es einen Umweg, aber keinen sehr großen. Falls er wollte, konnte er nördlich von Leamer quer übers Land zur Drachendomäne zurückkehren. Queynt bestimmte unser Tempo, das langsamer war, als ich es gern gehabt hätte. Seidenhand saß wieder neben ihm, und König Kelver ritt auf einem prächtigen Hengst nebenher. Zwei seiner Drachen folgten ihm,
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