Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
ich könnte euch nicht sagen, welche es waren. Hätte jemand anders als Jinian behauptet, Zauberer zu sein, hätte ich bloß gelacht und gesagt: ›So? Zauberer? Haha!‹ Ich lachte nicht. Jinian war niemand, der scherzte. Wenn sie sagte, sie sei Zauberin, dann glaubte ich ihr das. Das einzige, was ich überraschenderweise fühlte, war ein tiefsitzender, brennender Zorn auf Seidenhand, weil sie es mir nicht erzählt, sondern zugesehen hatte, wie ich mich zum Narren machte.
Und das hatte ich zur Genüge getan. Ich hatte zu Jinian gesagt, daß sie noch sehr jung sei, daß sie keine Ahnung habe. Man sagte nicht zu einem Zauberer, daß er keine Ahnung habe. Ich mußte Seidenhands Namen gemurmelt haben, denn Jinian unterbrach meinen Zorn mit Entschiedenheit. »Seidenhand wußte es nicht, Peter. Weiß es auch jetzt nicht. Mir wäre es am liebsten, es bliebe auch dabei. Du behältst mein Geheimnis für dich, ich deines.«
»Ich habe keins mehr«, murrte ich. »Seidenhand hat bereits alles ausgeplaudert.«
»Das glaube ich nicht«, sagte sie. »Queynt weiß, was er weiß, aber nicht weil Seidenhand es ihm gesagt hat.« Daraufhin warf sie mir ein rätselhaftes Lächeln zu, und wir setzen unsere Reise nach Leamer fort.
Erlaubt, daß ich mich für die Zeit, die ich dann brauchte, um mir das Ganze durch den Kopf gehen zu lassen und mich abwechselnd verärgert, schuldig und hintergangen zu fühlen, zurückziehe, um euch lieber zu erzählen, was anderswo geschah. Damals wußte ich natürlich nichts darüber, aber ich hörte später davon. Was man mir nicht geradeheraus erzählte, reimte ich mir zusammen. Laßt also Seidenhand auf dem Kutschbock neben dem seltsamen Queynt sitzen; laßt König Kelver, sprudelnd vor Höflichkeit und geschmeidiger Reden samt seinen Mannen nebenher reiten; laßt Jinian dort auf der Straße zurück, so ruhig wie Eis; laßt Chance – ach, wie oft habe ich Chance zurückgelassen; laßt Yittleby und Yattleby mit ihrem gleichmäßigen Schritt, ihrem leisen krwah, witt, krwah, witt. Verlaßt mich und erhebt euch in die Lüfte, als wärt ihr ein Waffenträger, der vom Wind getragen zu jenen Mächten fliegt, die sich gegen uns verschworen hatten und von denen wir nichts ahnten.
Hinauf, hinauf, die schroffen Hänge des Waenbane hoch, hinauf bis zu dem dräuenden, steil aufragenden Felsen zu jenem Ort, an dem, wie sie behaupten, der Wind ungeheure organisch wirkende Formen geschaffen hätte, die Knochen des Windes. Schaut nach Norden. Seht nicht nach Bleer. Dorthin werden wir bald genug kommen und länger bleiben, als uns lieb ist. Überfliegt statt dessen den Berggrat und die Einöde bis zu jener Schlucht, die der Fluß Grauwasser zwischen zwei Hochebenen gegraben hat. Dann kommt Kiquo und die Hohe Brücke, so schmal wie eine Messerschneide, dann das stählern glitzernde Band des Flusses, dann wieder hohe Bergkämme und eine weitere Hochebene nördlich von Betand.
Sucht den breiten Weg, der in die nördlichen Gebiete führt. Seht die seltsamen Gebilde, die am Wegesrand erbaut sind, die grünen Arkaden, die ihn überschatten. Im Frühling, so sagt man, glühen sie in undomänischem Licht und treiben so manchen Reisenden in den Wahnsinn. Folgt diesem Weg bis zu der tiefen, engen Schlucht des Flusses Haws und fliegt am Rand dieser Schlucht entlang zu der Stadt Pfarb Durim. Blickt dort, hoch oben über Pfarb Durim, nach Osten zurück und beachtet, wie flach das Land zwischen dieser Stadt und der Einöde von Bleer daliegt, flach, ohne jede natürliche Barriere. Ein Mann könnte es in zwei, drei Tagen durchqueren, ein Waffenträger in noch viel kürzerer Zeit überfliegen. Trotzdem dachten weder Peter noch Jinian noch irgend jemand sonst in der Reisegesellschaft an den Ort, der Pfarb Durim heißt, dort am Fluß Haws.
Schaut hinunter auf die Stadt. Fliegt hinab. Die Mauern sind hoch und dick und sorgsamst bewacht. Wogegen verteidigt sich die Stadt? Wogegen sind diese mächtigen Tore geschlossen worden? Warum brennen Signalfeuer auf den Wehrtürmen? Die Stadt wirkt ungewöhnlich altertümlich. Wo sonst findet man solche eigenartigen Türen, die wie Schlüssellöcher geformt sind? Wo sonst solche dreieckigen Fenster, die in die Welt hinausstarren wie die Laternengesichter, die man in reife Thrilps schneidet? Geht weiter. Entfernt euch von den Mauern und schreitet den Weg hinunter, der am Rande der Schlucht entlangführt, bis hin zu einem überhängenden Fels, von dem aus man erkennen kann, was tief unten liegt
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