Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
jetzt.«
Der erste Spiegelmann setzte sich vor den echten König und schaute ihn lange, lange an. Ich sah, wie sein Fleisch waberte, sich veränderte. Als er sich umwandte, hatte er des Königs Gesicht, aber seitenverkehrt und fremdartig. Nun starrte der zweite Spiegelmann, der falsche König, den ersten an, und sein Fleisch verwandelte sich leicht am Kiefer und um die Augen herum. Was ein verschwommenes, kränkliches Bild gewesen war, wurde langsam genauer, ähnelte König Kelver mehr. Obwohl alle, die den König oberflächlich kannten, dieses Gesicht erkannt haben würden, weil sie annahmen, der König sei krank, war es doch kein Gesicht, das gute Freunde überzeugen konnte. Sie knebelten Kelver wieder und ließen ihn allein. Ich sah, wo sie den Schlüssel hintaten.
Das Gespräch drehte sich nun um den Höllenschlund. Ich hörte Dinge, auf die ich gern verzichtet hätte, über Laggy Nicker und Prionde, über viele mächtige Prinzen aus dem Norden. Ich hörte von den Knochengruben und den Kellern, den Verließen und den bodenlos tiefen Löchern. Über all das sprachen die drei mit viel Behagen, grad als ob sie eine besondere Belohnung versprochen bekommen hätten, wenn der endgültige Tag kam. Schließlich blitzte sich der Portierer hinweg, war kurz verschwunden und tauchte dann wieder auf. Der falsche König erhielt noch einige Anweisungen. Er sollte dem Portierer melden, wenn Peter die Reisegruppe verließ oder wenn etwas Wichtiges gefunden wurde. Der Spiegelmann sattelte auf und ritt fort, zu dem Lager zurück, das er Stunden zuvor verlassen hatte. Erst dann verfolgte ich ihn, um ihn in der Dunkelheit unerwartet zu stellen. Wenn ein Spiegelmann einen Pombi trifft, gibt es keinen Wettstreit zwischen ihnen. Der Pombi gewinnt immer.
Daraufhin kehrte ich in das Lager der Spiegelmänner zurück, den falschen König im Schlepptau, gehorsam durch die kleine Kappe, die ich mitgebracht hatte. »Du bist König Kelver«, hatte ich zu ihm gesagt. »Der echte König Kelver. Du wirst auf keine andere Stimme hören als auf die meine. Du wirst still und betäubt in dem Wagen liegen. Du wirst überhaupt nichts sagen. Du bist der echte König Kelver, und du hörst keine andere Stimme als die meine.« Dann legte ich ihn hinter einen Felsen, um zu warten, bis die zwei anderen sich in den Schlaf getrunken hatten.
Nun mußte ich nur noch ganz leise den Schlüssel nehmen, den Wagen öffnen, den König losbinden und sein Murmeln stoppen. »Scht! Still jetzt oder ich lasse Euch hier, gebunden wie ein Zeller für den Spieß!« Worauf er nachgab, aber immer noch ohnmächtigen Zorn in seinen Bart träufelnd. Ich legte den falschen Kelver an seinen Platz und befestigte die Kappe fest unter dem Federhut, den der König trug. Bevor wir gingen, erneuerte ich meine Befehle noch einmal. Ich beabsichtigte, die nächste Nacht wiederzukommen, wenn es möglich wäre, um ihm die Kappe abzusetzen, bevor er in den gleichen stumpfsinnig leeren Zustand geriet wie der Oberexaminierer in Xammer.
Als wir den anstrengenden Weg zum Lager zurückgelegt hatten, war die Nacht schon so fortgeschritten, daß man das Morgengrauen ahnen konnte. Ich schleppte Kelver geradewegs zu Seidenhand und erzählte ihr die ganze Geschichte, worauf es nur eine kleine Weile dauerte, bis sie das Gift aus seinem Körper gezogen hatte und er vor sich hinschimpfend am Feuer saß, wütend wie ein Grol mit einem Maulkorb.
»Der Portierer wird uns wahrscheinlich beobachten«, sagte ich. »Wir müssen irgendwie verhindern, daß sie unser Spiel durchschauen.«
»Sie werden es auf jeden Fall durchschauen«, erwiderte der König. »Nämlich wenn ich morgen nicht zurückkehre, um ein neues Abbild zu nehmen.«
»Blödsinn«, fuhr ich ihn an. »Natürlich werdet Ihr zurückkehren. Sie werden einen Spiegelmann erwarten, der wie der König aussieht, und Ihr werdet wie der König aussehen. Wenn Ihr nicht geht, muß ich es tun, und dann gibt es bald entschieden zu viele Kelvers hier in dieser Gruppe.« Er schluckte schwer an diesem Brocken, und so gab ich ihm noch mehr Gründe. »Der falsche Kelver wird einfach dort liegen und glauben, er wäre echt. Der andere Spiegelmann wird das tun, was Spiegelmänner immer tun, nicht mehr und nicht weniger. Ihr könnt doch sicher genügend Betörung anwenden, damit sie keinen Verdacht schöpfen? Damit die Informationen, die wir wünschen, zum Höllenschlund gelangen? Wenn aus keinem anderen Grund, dann tut es wenigstens um Jinians Willen, wegen dem,
Weitere Kostenlose Bücher