Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
was sie ihr fast angetan hätten.«
Ich war wütend, daß er über das, was Jinian beinahe zugestoßen wäre, nicht im geringsten so empört war wie ich.
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Das Auge des Windes
Mochte er sich auch um Jinian nicht richtig sorgen, seine Sorge um Seidenhand war jedenfalls grenzenlos. Als ich berichtete, was ich aus dem Mund des Portierers über Huld und dessen Verlangen, die ganze Welt zu beherrschen, vernommen hatte, wandte sich Seidenhand würgend ab. Kelver ging zu ihr, hielt sie im Arm, und unter Schluchzern erzählte sie, daß Huld oft bei ihr gewesen sei, als sie in Bannerwell gefangen gewesen war, sie bedroht, ihre Gedanken auseinandergepflückt und dort solch panische Angst eingepflanzt habe, daß sie seitdem nicht mehr gewagt hätte, daran zu denken. Nun versank sie erneut in diesem maßlosen Schrecken. König Kelver begann zu schäumen. Vor Zorn glühend wie Feuer schwor er Rache gegen die, die sie so verletzt hatten, gegen die, die sein Spiegelbild genommen hatten und alle, die gegen uns SPIELTEN. »Euer Feind ist der meine«, schwor er, ihre Hand in der seinen. »Wir sind Verbündete im Kampf gegen diese verrotteten Bestien.«
Ich hatte den Portierer noch mehr sagen hören, mehr als ich ihnen weitererzählt hatte. Ich war froh über jeden, der den Kampf gegen dieses Böse aufnahm, bei dem ich mir nicht einmal sicher war, ihm ins Auge sehen zu können. Wir steckten Seidenhand zu Jinian in den Wagen, damit sie sich gegenseitig trösten und die Mißverständnisse ausräumen konnten, die zwischen ihnen aufgetaucht waren. Was mich betraf, so benötigte ich keinen weiteren Beweis mehr für Kelvers Gleichgültigkeit Jinian gegenüber oder dafür, daß Seidenhand für mich nie mehr als eine gute Freundin sein würde. Also trank ich mit dem König und teilte seinen Zorn über alle unsere Feinde, bis wir schließlich, außerstande noch etwas anderes zu tun, einschliefen.
Am nächsten Morgen setzten wir unseren Aufstieg unter dem unaufhörlichen Geschnatter der Krylobos fort. Queynt versuchte, sie nachsichtig zu beschwichtigen. Ich fragte, ob er Bedenken habe, zu dem Ort zurückzukehren, wo er sie einst gefunden hatte, und er schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Es ist schon so lange her.«
»Wie lange?« wollte ich wissen.
»Mmmh.« Er schnitt eine Grimasse. »Sehr lange. Ich suchte etwas Bestimmtes. Es hatte aber inzwischen eine große Naturkatastrophe stattgefunden, und meine Karten waren nutzlos geworden. Ihr habt doch sicher davon gehört? Überschwemmung, Winde und all das? Richtete ziemlich viel Unheil längs des Flusses Reave an.«
»Dieselbe Katastrophe, die Dindindaroo zerstört hat«, sagte ich. »Mir wurde von Überschwemmung und Winden erzählt. Wißt Ihr, wie das gekommen ist?«
»Ich glaube, ja. Wenn wir hier oben sind, werdet Ihr es selbst sehen. Es fiel etwas aus dem Himmel, ein Feuerball wie eine kleine Sonne, genau auf dieses Hochland – wie ein Flammenspeer. Die Erde bebte hundert Meilen in alle Richtungen. Natürliche Dämme barsten, und jahrtausendelang zurückgestautes Wasser brach sich Bahn, zusammen mit einem heißen, trockenen Wind, der sich von hier aus verbreitete und ganze Wälder in Brand setzte. In Leamer könnt ihr an manchen Stellen heute noch Folgen dieser Katastrophe sehen.
Viele Dinge aus der Vergangenheit kamen dabei an die Oberfläche. Aber möglicherweise wurden andere alte Dinge für immer verschüttet.« Er schwieg einen Augenblick, seine Geschwätzigkeit vergessend, bevor er sagte: »Vielleicht sind auch nur die Wegweiser zerfallen und die Pfade kaum …«
Falls er vorgehabt hatte, mich zu verblüffen, gelang ihm das völlig. »Etwas Ähnliches habe ich in einem Lied gehört«, würgte ich hervor.
»Ach ja, junger Herr, ich auch. Es war dieses Lied, das mich nach Süden trieb, fast bis zur Domäne des Phönix, auf der Suche nach einer Heilerin und einem Spieler, dem dieses Lied auch etwas sagt.«
»Unser Zusammentreffen war also nicht zufällig«, sagte Seidenhand von ihrem Sitzplatz auf dem Fuhrwerk her. »In keiner Weise zufällig.«
Er errötete ein bißchen, gerade ein Hauch von Rot auf seinen Ohrläppchen. »Nein, meine Liebe. Nicht ganz zufällig. Aber ohne jede böse Absicht.«
Es reichte mir. Ich war immer noch nicht überzeugt von seiner Ehrlichkeit und traute mich nicht, noch weiter mit ihm Spiegelfechterei zu betreiben. Ich wartete, bis Chance neben mir ritt, um mich längere Zeit über Geheimnisse auszulassen, über Spieler im
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