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Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Titel: Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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aber ausgesprochen freudlos, und murmelte etwas wie, daß nur Narren von Hoffnung lebten. Er hatte recht. Narren mochten das tun. Meine Hoffnung lag bei Mavin.
    Ein scharlachroter Drache machte sich also auf den Weg nach Nordosten, mit einer breiten Feuerspur und Rauchfahnen, die auf ihn aufmerksam machten, während der zweite Drache, schiefergrau mit pechkohlenschwarzen Flügeln, unbemerkt über den Berggipfel flog, nach Süden zur Leuchtenden Domäne. Er trug eine Nachricht von mir, in der schlicht stand: ›Hilfe!‹ In der Zwischenzeit zog Jinian den Umhang des Drachen und seinen hohen Helm mit dem Federbusch über, um in dieser Kleidung neben dem Fuhrwerk herzureiten. Wenn der Portierer uns nun erblicken sollte, hatte alles seine Richtigkeit. Er sah König Kelver, Queynt, Chance; Seidenhand, einen Drachen, Peter. Jinian war verschwunden und von Grolen aufgefressen, und ein Drache war mit viel Feuer und Rauch zur Drachendomäne zurückgeflogen.
    Nachdem wir somit getan hatten, was wir konnten, um uns gegen Hulds Erscheinen zu wappnen, ritten wir weiter nach Norden, wo laut Yggerys Karten die Einöde von Bleer lag, obwohl eine trostlosere Gegend als die, die wir gerade durchquerten, schwer vorstellbar war.
    Wir ritten über lange Aschestreifen, die nach Süden verliefen. »Hier gibt es ein Loch, das so groß ist, daß eine Schlachtdomäne darin Platz hätte«, sagte Queynt. »Wo der kleine Mond einschlug und diese Asche über die Felsen hochschleuderte. Bald werden Dornen darüber wachsen …«
    Auf dem Hochland selbst wuchsen nur wenige Dornensträucher, während die Schluchten damit zugewuchert waren. Teufelspeer sproß wie ein dicker Teppich im Schutz von Gesteinsbrocken. Sonst war alles flach, grau und öde. Je weiter nördlich wir kamen, desto eigenartigere Formen zeigten die Felsen; verdreht, bizarr, verwinkelt, nicht länger wie einzelne Knochen oder Gelenke, sondern wie vollständige Skelette von Traumungeheuern. Es war, als ritte man in einem hallenden Alptraum. Wäre nicht der weite Himmel über uns gewesen, wir hätten uns wie in einem Gefängnis gefühlt, ohne Hoffnung auf Befreiung.
    Es war beinahe dunkel, als wir zu der messerscharfen Kante des Abgrunds kamen, dessen Wände steil und gerade herabfielen. Zu beiden Enden türmte sich das Gestein in sich zusammengestürzter Berge zu unüberwindlichen Hindernissen auf. »Bei stürzendem Fels, in Schluchten tief«, sang Queynt leise. Ich wußte, daß er diese Schlucht nicht zum ersten Mal sah. »Der Abgrund tat sich während der Katastrophe auf«, sagte er. »Davor konnte man geradewegs von hier nach Bleer reiten.«
    »Morgen«, sagte ich erschöpft. »Es hat keinen Zweck, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen. Wir haben anderes zu tun.«
    Tatsächlich hatten wir den ganzen Abend über genug zu tun. König Kelver und ich mußten unseren obligatorischen Besuch bei den Spiegelmännern machen, er öffentlich, ich heimlich zu seinem Schutz. Wir hackten Dornengestrüpp, das uns die Finger zerstach und die Arme zerkratzte und entzündeten damit ein Feuer. Der König hatte zwei Laufvögel erlegt, die wir brieten und zusammen mit hartem Brot und getrockneten Früchten aßen. Durch den Abgrund waren wir veranlaßt worden, unser Lager frühzeitig aufzuschlagen, so daß wir mit dem Essen fertig waren, bevor es richtig dunkelte und das verlöschende Licht des Tages in rotem Feuer hinter dem Gebirgszug verschwand. Wir schauten in den Himmel, jeder mit seinen eigenen düsteren Gedanken beschäftigt, als auf einmal der Riese wieder vor dem blutroten Licht auftauchte.
    Er kam auf uns zu. Er sah genauso aus, wie wir ihn von dem lieblichen Tal am Knochenfluß aus erblickt hatten, nur daß wir ihn diesmal von vorn sahen. Turmhoch vor dem Himmel näherte er sich mit langem Schritt, seine Umrisse wabernd und zerfasernd wie von kräftigen Böen durchweht, die ganze riesenhafte Erscheinung in fortwährender Erneuerung von Gestalt und Bestimmung. Die Sonne sank hinter ihm; Sterne leuchteten durch ihn hindurch, während er der Stelle zustrebte, wo wir sprachlos und mit offenem Mund saßen. Etwas Vertrautes umgab ihn, was ich fast glaubte greifen zu können. Ich bemühte mich, aber es entglitt mir.
    Schließlich war er so dicht bei uns, daß wir seine Umrisse nicht mehr wahrnehmen konnten. Wir fühlten den kalten, kranken Wind um uns, hörten die gepeinigte Stimme: »Verwandter, Verwandter, find den Wind …« und dann war er durch uns hindurchgegangen. Wir drehten uns um und

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