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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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beschwerlichen Ort, Liebste. Um etwas Beschwerliches zu vollbringen. Es wäre möglicherweise klüger, wenn ich mit deinem Vater spreche, falls wir …, nachdem wir zurück sind. Ich möchte dich nicht an mich binden, solange ich –«
    Sie hatte seinen Mund mit ihrer Hand zugehalten und dann, indem sie sich im Bett umdrehte, als wollte sie ihn küssen, die Hand fortgenommen und ihm stattdessen in die Lippe gebissen.
    »Feigling!« hatte sie ihm vorgeworfen. »Ich wusste ja, du hast Angst. Du hast mir eine Brautwerbung in aller Form versprochen, und ich bestehe darauf, dass du sie auch ausführst.«
    »Dann soll es in aller Form geschehen«, hatte er zugestimmt. »Du willst auch einen richtigen Brautwerber haben?«
    »Natürlich!« hatte sie darauf erwidert. Und dann hinzugefügt, weil sie zu weinen begonnen hatte und ihr Spiel nicht länger aufrecht erhalten konnte: »Ich bin doch schon seit Larai Rigal an dich gebunden, Diar.«
    Er hatte sie geküsst, sanft zuerst und dann voller Leidenschaft, und dann begann sein Mund auf ihr zu wandern, und mit der Zeit verlor sie jedes Gefühl von Zeit und Raum.
    »In aller Form«, hatte er danach noch einmal wiederholt. In einem ganz bestimmten Tonfall.
     
    Und jetzt, im Morgenlicht, mitten auf dem geschäftigen Platz, schob sich plötzlich eine Gestalt durch die versammelte Menge und schritt zielbewusst auf ihren Vater zu. Sharra merkte, wie sie errötete. Sie schloss einen Augenblick lang die Augen und wünschte sich sehr, ihn fester, viel, viel fester gebissen zu haben. Und an einer anderen Stelle. Dann musste sie, trotz ihrer Gemütslage, ein Lachen unterdrücken.
    In aller Form, hatte er versprochen. Bis hin zu dem Brautwerber, der dem alten Brauch zufolge Fürsprache für ihn einlegen sollte. Außerdem hatte er sie in Gwen Ystrat davor gewarnt, dass er niemals berechenbar handeln werde, dass er immer sein Spiel würde treiben müssen.
    Und so kam es, dass Tegid aus Rhoden sein Brautwerber wurde.
    Der dicke Mann – er war wahrhaft von enormer Leibesfülle – war jedoch einigermaßen nüchtern, welch ein Segen. Er hatte sogar seinen ungewöhnlichen Bart gestutzt und sich züchtig in rostbraunen Tönen für seine erhabene Aufgabe eingekleidet. Sein rundes, rotes Gesicht war todernst, als Tegid vor ihrem Vater stehen blieb. Sein Weg dorthin war mit Rufen und Gelächter bedacht und begleitet worden. Nun wartete Tegid geduldig, dass ein klein wenig Ruhe eintrat. Gedankenverloren kratzte er sich das Hinterteil, dann besann er sich darauf, wo er war, und verschränkte rasch die Arme vor der Brust.
    Shalhassan betrachtete ihn mit milder, ausdrucksloser Neugier. Und verzog im nächsten Moment schmerzlich das Gesicht, als Tegid seinen Namen hinausbrüllte.
    »Unumschränkter Herrscher von Cathal«, wiederholte Tegid ein wenig leiser, denn seine mächtigen Lungen hatten mit jenem ersten Gebrüll in ihrer unmittelbaren Umgebung für Ruhe gesorgt, »leiht ihr mir Euer Ohr?«
    »Ich leihe es dir«, sagte ihr Vater mit ernsthaftem Entgegenkommen.
    »Dann will ich Euch meinem Befehl gemäß mitteilen, dass ich hierher gesandt wurde von einem unermesslich edlen Fürsten, dessen Tugenden ich aufzählen könnte, bis der Mond auf- und wieder untergeht und wieder aufgeht. Ich bin hierher gesandt, um Euch an diesem Ort und vor allen Menschen, die sich hier versammelt haben, zu verkünden, dass die Sonne aufgeht in den Augen Eurer Tochter.«
    Verblüffte Rufe erhoben sich.
    »Und wer«, fragte Shalhassan, immer noch höflich, »ist dieser unermesslich edle Fürst?«
    »Das war nur so eine Redensart«, wiegelte Diarmuid ab und trat zu ihrer Linken aus der Menge. »Und die Sache mit dem Mond war seine eigene Idee. Aber er ist mein Brautwerber, und der Kern seiner Botschaft entspricht der Wahrheit und kommt mir von Herzen. Ich möchte Eure Tochter zur Frau nehmen, Shalhassan.«
    Nun war dem Lärm auf dem Platz überhaupt nicht mehr Einhalt zu gebieten. Es war schwer, noch irgendetwas zu verstehen. Sharra sah, dass ihr Vater sich langsam nach ihr umdrehte, eine Frage in den Augen und noch etwas, das sie erst nach einem Augenblick als Zärtlichkeit erkannte.
    Sie nickte einmal. Und formte mit den Lippen ein »Ja«, das er nicht übersehen konnte.
    Der Lärm erreichte seinen Höhepunkt und legte sich dann allmählich wieder, während Shalhassan neben seinem Streitwagen stand, ernst und reglos. Er blickte Diarmuid ins Gesicht, dessen Ausdruck nun ebenfalls ernst war. Er sah noch einmal zu ihr

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