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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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außerdem einige größere Boote und ein einzelnes Schiff, rot und golden bemalt, bei dem es sich um die Prydwen handeln musste.
    Einst, hatte Loren ihm erzählt, hatte hier eine ganze Flotte vor Anker gelegen. Doch der letzte Krieg hatte die Seestreitmacht beider Länder dezimiert, und nach dem Waffenstillstand waren keine Schiffe mehr gebaut worden, welche die verlorenen ersetzt hätten. Und nachdem Andarien seit tausend Jahren nur ödes Land war, bestand auch kaum Notwendigkeit, hatte der Magier erläutert, zur Lindenbucht zu segeln.
    Eine Reihe von Häusern stand am Rande des Hafens und einige weitere abseits des Meeres am sanft ansteigenden Hang. Taerlindel wirkte im Licht des Spätnachmittags sehr schön. Doch er schenkte ihm nur einen kurzen Blick, ehe er sein Pferd zum Stehen brachte, um die letzten der Schar an sich vorbeizulassen. Auf der Straße über Taerlindel richtete sich sein Blick hinaus über das graugrüne Meer, so weit sein Auge reichte.
    In der vergangenen Nacht hatten sie wieder das Licht vom Atronel leuchten lassen, um die Rückkehr des Frühlings zu feiern und zu ehren. Nun, gegen Abend dieses zweiten Tages, schritt Leyse vom Schwanensiegel, Lauriel zu Ehren ganz in Weiß gekleidet, neben der erhabenen Gestalt Ra Tenniels einher, und sie waren allein am Celynsee und pflückten Sylvain, rot und silberfarben.
    Inmitten der künstlich gewobenen Schatten Daniloths, Schatten, welche die Zeit in Kanäle lenkten, die niemandem außer den Lios bekannt waren, hatte zu keiner Zeit Winter geherrscht. Lathen Nebelwirkers machtvolles Zauberwort hatte sie vor der Kälte geschützt. Doch allzu lange hatten die Lios über die verschwimmenden, undeutlichen Grenzen des Schattenlandes hinausgeblickt und hatten den Schnee gesehen, der über die Ebene wirbelte und über die kahle Ödnis Andariens. Ein einsames, verletzliches Eiland gedämpfter Farben waren sie gewesen, in einer Welt weißer Bösartigkeit.
    Nun nicht mehr. Wie immer kühn ergriff Ra-Tenniel die lange schlanke Hand Leyses – und diesmal ließ sie ihn gewähren – und führte sie durch den Schleier der Schatten Lathens hinaus ins Freie, wo der Fluss sich in den Celynsee ergoss.
    Bei Sonnenuntergang war dies ein Ort der Verzauberung und der heiteren Gelassenheit. Am Flussufer wuchsen Trauerweiden und Aumbäume voller junger Blätter. Auf dem ebenfalls frischen Gras breitete er seinen Umhang aus, der so grün war wie ein Vellinstein, und sie ließ sich mit ihm darauf nieder, die Arme voller Sylvainblüten. Ihre Augen waren von sanftem Gold wie die untergehende Sonne, und ihr Haar glänzte im Lichte ihrer Strahlen bronzefarben.
    Er blickte von ihr zur Sonne, zu dem Aumbaum über ihnen und zum sanften Fließen des Flusses unter ihnen. Wie es der Art der Lios entsprach, war ihm Trauer zu keiner Zeit fremd, und er erhob seine Stimme zu einem Klagegesang inmitten des abendlichen Summens der Bienen und des munteren Geplätschers von Wasser über Steine und besang die Verwüstung Andariens vor tausend Jahren.
    Ernsthaft hörte sie ihm zu, beladen mit Blumen, und ebenso ernsthaft legte sie die Sylvain ab und ihr Gewand, und legte sich selber an seiner Seite nieder, als sein Lied verklungen war. Es dämmerte, als sie sich erhoben, um wieder zum Atronel aufzubrechen. Im Westen, oberhalb der Stelle, wo die Sonne untergegangen war, glitzerte ein einzelner Stern, der vor langer Zeit nach Lauriel benannt worden war, den Avaia beim Bael Rangat niedergemetzelt hatte. Lange betrachteten sie ihn, dann wandten sie sich ab, um ins Schattenland zurückzukehren, wo die Sterne nur undeutlich zu erkennen waren.
    Noch einen Blick warf Ra-Tenniel über die Schulter zurück nach Andarien. Und dann blieb er stehen und sah noch einmal hin mit dem scharfen Blick der Lios Alfar.
    Schon immer, von Anfang an, hatte die Ungeduld seines Hasses Rakoths Machenschaften gekennzeichnet. Der Winter, der nun der Vergangenheit angehörte, war für ihn ein Auftakt gewesen, schrecklich in seiner Ankündigung absichtlich hinausgezögerter, langsamer Zerstörung.
    Doch nun war der Winter vorbei, und als er sein Gesicht gen Norden wandte, mit Augen, deren Farbe rasch zu Violett überwechselte, sah Ra Tenniel, Fürst der Lios Alfar, die finstere Horde durch das verwüstete Andarien ziehen. Nicht in ihre Richtung – als auch Leyse sich umwandte, um seinem Blick zu folgen, bog das Heer Rakoths gen Osten ab. In östlicher Richtung umrundete es den Celynsee, um nach Gwynir hinabzusteigen.
    Und zur

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