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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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in diesem Winter zu Blumen? Dann wandte er sich ab, um einen Teppich zu betrachten, den die anderen vier Kinder mit langen Stangen hochhielten, und sein Pfad wurde versperrt von einer Schöpfung erhabenster Kunstfertigkeit, eines Herrschers würdig: Auf dieser ungeschützten Straße, den Elementen preisgegeben, boten sie ihm das Gewirk einer Szene vom Bael Rangat dar. In schimmernd verlaufenden Farben, einem Höhepunkt der Webekunst, sah Shalhassan die Schlacht an der Valgrindbrücke dargestellt. Und nicht bloß irgendeinen Augenblick während dieser Schlacht, sondern den einen, in Cathal seither besungenen und gefeierten Augenblick, da T’Varen als erster Mann dieser strahlenden Schar den Fuß auf die Brücke über den Ungarch gesetzt hatte, um allen voraus hinüber nach Starkadh zu schreiten.
    Das war eine doppelte Ehre, die sie ihm hier erwiesen, und dann, als er wider Willen gerührt die Augen senkte, erblickte er eine Gestalt, die unter dem Teppich hindurchschritt und vor ihm auf der Straße stehen blieb, und da wusste er, dass die Ehre dreifach war und dass er sich ungeheuer verschätzt hatte.
    Gekleidet in eine Robe aus reinstem Weiß, die ihm in dicht mit Pelzen besetzter Pracht von den Schultern bis auf die weißen Stiefel fiel, stand dort Diarmuid, des Königs Bruder und Erbe. Der Taugenichts, dachte Shalhassan und gab sich alle Mühe, sich nicht sogleich vom Eindruck natürlicher Eleganz überwältigen zu lassen.
    Diarmuid trug zu allem Überfluss noch weiße Handschuhe und eine weiße Pelzkappe auf seinem goldenen Haar, und die einzige Farbe an diesem prachtvollen Schneeprinzen stammte von einer roten Djenafeder an seiner Kappe – und das Rot hatte den gleichen Ton wie die Gewänder der Kinder.
    Es war ein Anblick von so erlesener Pracht, dass keinem lebendigen Menschen deren Sinn und Bedeutung entgehen konnten, und keiner war unter den Anwesenden aus beiden Ländern, der nicht darüber berichten würde.
    Der Prinz hob einen Finger, nicht mehr, und schon ertönten im weiten schneebedeckten Land, das sie umgab, die hervorragend dargebotenen, herzzerreißenden Klänge der Renabael – der Schlachtgesänge der Lios Alfar, vor so langer Zeit geschaffen von Ra Termaine, dem bedeutendsten ihrer Fürsten, dem bedeutendsten ihrer Musikweber.
    Und dann vollführte der weiße Prinz wieder eine Handbewegung, und abermals war es nicht mehr als ein Heben des Fingers, und als die Musik verklang, als ihr Echo in der kalten, stillen Luft verhallte, trat der Mann vor, der sie gespielt hatte, noch anmutiger als selbst der Prinz, und zum ersten Mal in seinem Leben erblickte Shalhassan von Cathal einen der Lios Alfar, und er bemerkte mit ungläubigem Erstaunen, dass ihm Tränen in die Augen zu steigen drohten.
    Der Prinz verneigte sich. Der Lios verneigte sich. Über ihren Köpfen stand T’Varen bis zu den Knien in Blut und erhob im Namen des Lichts Anspruch auf die Valgrindbrücke.
    Shalhassan von Cathal aber stieg von seinem Wagen herab auf die Straße und verneigte sich seinerseits.
     
    Die fünf aus Seresh waren vorausgeeilt, zweifelsohne erleichtert, so ihrer Aufgaben entledigt zu werden. Die letzte Meile auf dem Weg nach Paras Derval wurde das Heer von Cathal von einer Ehrengarde der Männer um Prinz Diarmuid begleitet, korrekt und furchteinflößend, und auf der einen Seite schritt der Prinz in eigener Person neben Shalhassans Streitwagen einher, und auf der anderen Na-Brendel, Fürst des Falkensiegels aus Daniloth.
    Sie kamen auch nicht schneller als im Schrittempo vorwärts, denn als sie sich der Hauptstadt näherten, säumte eine riesige Menge jubelnder Menschen die Straße, selbst dort, wo sich der Schnee türmte, und Shalhassan war gezwungen, ihnen zu danken, indem er gemessen und würdevoll nickte und winkte.
    Dann, als sie die Außenbezirke der eigentlichen Stadt erreicht hatten, erwarteten sie dort die Soldaten. Und den gesamten gewundenen, ansteigenden Weg zum Platz vor dem Palast entlang standen die Fußsoldaten, Bogenschützen und Berittenen von Paras Derval, in exakt gleichen Abständen aufgereiht, jeder einzelne angetan mit seiner besten Uniform.
    Sobald sie aber auf den Platz gelangten, an dessen Rändern dicht gedrängt weitere jubelnde Menschen standen, kam der Zug ein zweites Mal zum Stehen, und Prinz Diarmuid präsentierte ihm mit vollendeter Förmlichkeit den Ersten Magier Brennins und seine Quelle, mit noch einem Zwerg an der Seite, den der Prinz Brock aus Banir Tal benannte; als nächstes dann

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