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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Augen auf seinen Bruder.
    »Gerade die können wir hier brauchen«, mischte sich eine musikalisch tönende Stimme ein, und Brendel von den Lios Alfar lächelte gewinnend. Seine Augen sind golden, bemerkte Shalhassan fasziniert und konnte gerade noch seine Mundwinkel bändigen, die sich schon zu einem Lachen zu verziehen begonnen hatten.
    Die Nachricht von der Wette hatte sich inzwischen in der Menge herumgesprochen, und Laute freudiger Erwartung erfüllten den Platz. Sie konnten hastig geschriebene Wettscheine von Hand zu Hand gehen sehen. Nur die rothaarige Priesterin und der grimmige Großkönig schienen der allgemein gehobenen Stimmung gegenüber verschlossen.
    Es kostete gar nicht viel Zeit. Bashrai war auf erfreuliche Weise tüchtig, und kurze Zeit später war bereits das gesamte Heer von Cathal mit bloßem Haupt an den Palasttoren vorbeiparadiert, wo die beiden Könige standen. Diarmuids Männer überprüften sie, und zwar gründlich, doch Shalhassan hatte sie zuvor schon ebenso gründlich überprüft.
    Sharra befand sich nicht unter den einfachen Soldaten.
    Shalhassan wandte sich gemächlich dem weißgekleideten Prinzen zu. Diarmuid hatte es tatsächlich geschafft, sein Lächeln beizubehalten. »Vielleicht steckt sie ja bei den Pferden?« scherzte er. Shalhassan hob lediglich die Augenbrauen, eine Geste, welche die Angehörigen seines Hofes sehr gut kannten, und Diarmuid schlüpfte mit einer anmutigen Handbewegung und einem Lachen mitten in der Kälte aus seinem Prachtmantel. Darunter trug er ein Rot, das zu seiner Feder und den Kindern passte.
    »Die Kappe auch?« erbot er sich und hielt beide Kleidungsstücke von sich gestreckt, um sie sich abnehmen zu lassen. Shalhassan winkte Bashrai herbei, doch als der Hauptmann anstelle seines Königs lächelnd vortrat, hörte Shalhassan, wie eine allzu vertraute Stimme ausrief:
    »Nimm sie nicht, Bashrai! Die Menschen von Cathal fordern nur solche Wetten ein, die sie ehrlich gewonnen haben!«
    Zu spät wurde ihm alles klar. Da gab es noch die fünfköpfige Eskorte, die bei Morgengrauen hastig in Seresh aufgestellt worden war. Nun kam einer der Gardisten von dort herüber, wo sie sich am Rande des Platzes gesammelt hatten. Kam herüber und nahm dabei eine eng anliegende Kopfbedeckung ab, ließ das schimmernde schwarze Haar, für das sie berühmt war, offen bis zur Leibesmitte herabfallen.
    »Tut mir leid, Vater«, entschuldigte sich Sharra, die Dunkle Rose von Cathal.
    Angesichts dieser unerwarteten Wendung brachen in der Menge Jubel und Gelächter aus. Selbst einige der cathalianischen Soldaten ließen sich zu albernen Hochrufen verleiten. Ihr König aber bedachte sein einzig verbliebenes Kind mit einem frostigen Blick. Wie, dachte er, konnte sie nur so leichtfertig sein und ihm in einem fremden Land solche Schande machen?
    Doch als sie aufs Neue die Stimme erhob, da sprach sie nicht etwa ihn an. »Ich dachte, diesmal tue ich’s lieber selbst«, richtete sie das Wort ohne jegliche Wärme an Diarmuid. Die Miene des Prinzen war schwer zu deuten. Sharra jedoch wandte sich, ohne innezuhalten, an seinen Bruder und fuhr fort: »Edler König, ich bedaure, Euch von einem gewissen Ausmaß an Disziplinlosigkeit unter Euren Soldaten berichten zu müssen, sowohl in Seresh als auch hier. Es hätte verhindert werden müssen, dass ich mich dieser Eskorte anschließe, wie turbulent es auch an jenem Morgen zugegangen sein mag. Und in jedem Falle hätte ich entdeckt werden müssen, als wir in Paras Derval eingeritten sind. Es steht mir nicht zu, Euch Ratschläge zu erteilen, doch es ist meine Pflicht, von den tatsächlichen Gegebenheiten Meldung zu machen.« Ihre Stimme war aufrichtig und klar; sie drang in jeden Winkel des Platzes vor.
    Und im steinernen Herzen Shalhassans loderte wärmend ein Freudenfeuer auf. Was für eine prachtvolle Frau! Eine zukünftige Königin, die ihres Reiches würdig war! Sie hatte einen Moment, der ihn in äußerste Verlegenheit hätte stürzen müssen, in einen verwandelt, der für Brennin weit schlimmere Peinlichkeit brachte und ein Triumph für sie war und damit auch für Cathal.
    Er machte sich daran, den erlangten Vorteil zu untermauern. »O weh!« rief Shalhassan. »Meine Tochter, scheint es, ist uns allen überlegen. Sollte am heutigen Tag eine Wette gewonnen worden sein, dann von ihr.« Und mit des eilfertigen Bashrais Hilfe legte er den eigenen Mantel ab, achtete nicht auf den beißend kalten Wind, sondern schritt zu seiner Tochter hinüber, um

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