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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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davor Laien Speerkind, dass es unter den Lios nur vage Legenden darüber gibt, was die Wilde Jagd gewesen ist, ehe sie in Schlaf fiel.«
    »War denn damals überhaupt jemand hier?« murmelte Kevin.
    »Gewiss«, erwiderte Loren. »Schließlich hat sie jemand unter diesen Felsen gelegt. Sage mir, Levon, war es ein sehr mächtiger Felsen?«
    Levon nickte wortlos.
    Loren wartete.
    »Die Paraiko!« behauptete Diarmuid, der in jungen Jahren bei dem Magier gelernt hatte. Seine Stimme war gedämpft; es lag Verwunderung darin.
    »Die Paraiko«, wiederholte Loren. »Die Riesen waren hier, und die Wilde Jagd ritt über den Nachthimmel. Das muss eine ganz andere Welt gewesen sein, so künden es zumindest die Legenden der Lios. Schattenhafte Könige auf schattenhaften Pferden, die zwischen den Sternen einherreiten konnten und zwischen den Welten des Webers.«
    »Und das Kind?« Diesmal kam die Frage von Kim. Sie quälte sich schon einige Zeit damit . Und sich zum Führer ein Kind ersannen.
    »Ich wünschte, ich wüsste es«, gab Loren zu. »Niemand weiß es, fürchte ich.«
    »Was wissen wir denn noch?« fragte Diarmuid sanft.
    »Es heißt«, ertönte eine tiefe Stimme von der Tür her, »dass sie den Mond bewegt haben.«
    »Was?« rief Levon aus.
    »So sagt man«, wiederholte Matt, »unter Banir Lök und Banir Tal. Es ist unsere einzige Legende über die Wilde Jagd. Sie wollten beim Reiten mehr Licht, und deshalb haben sie den Mond bewegt.«
    Und auf diese Worte hin herrschte wieder Schweigen.
    »Er erscheint hier tatsächlich näher«, äußerte Kevin verwundert. »Uns ist aufgefallen, dass er größer ist.«
    »Er ist größer«, stimmte Loren ihm sachlich zu. »Die Geschichten könnten wahr sein. Die meisten Geschichten der Zwerge sind es.«
    »Wie«, fragte Paul, »ist es bloß gelungen, sie unter den Felsen zu legen?«
    »Und das«, murmelte Loren, »ist die unergründlichste aller Fragen. Die Lios sagen, Conall Cernach habe es getan, der Fürst der Paraiko, und es erscheint mir gar nicht so unmöglich bei einem, der den Kessel von Khath Meigol geschaffen und damit zur Hälfte den Tod überwunden hat.«
    »Wenn, dann muss es einen gewaltigen Kampf gegeben haben«, vermutete Levon leise.
    »Den müsste es gegeben haben«, teilte Loren seine Meinung, »aber die Lios Alfar sagen in ihren Legenden noch etwas.« Er hielt inne. Nun war sein Gesicht im grellen Sonnenschein nicht mehr zu erkennen. »Sie sagen, es sei zu keiner Auseinandersetzung gekommen. Owein und die Wilde Jagd hätten darum gebeten, gebannt zu werden, aber sie wissen nicht, warum.«
    Kim wurde auf ein Geräusch aufmerksam oder glaubte es zumindest zu hören, wie von schnellem Flügelschlag. Sie blickte zur Tür.
    Und hörte Paul Schafer mit einer Stimme sprechen, die er sich aus dem Innersten gerissen zu haben schien. »Ich weiß es.« Seine Augen waren plötzlich so tief wie ein herbstliches Meer, doch als er weitersprach, war seine Stimme kräftiger und deutlich, und er erklärte: »Sie haben das Kind verloren. Den neunten aus ihrer Schar. Acht Könige und ein Kind waren es. Dann begingen sie einen Fehler und verloren das Kind, und in ihrer Trauer und als Buße baten sie die Paraiko, sie unter den Felsen zu bannen, und überließen ihnen die Wahl der Art des Bannes wie auch der Methode ihrer Befreiung.«
    Er verstummte jäh und strich sich mit der Hand über die Augen. Dann lehnte er sich, wie um sich zu stützen, gegen die Wand.
    »Woher weißt du das?« fragt Levon verblüfft.
    Paul musterte den Dalrei mit seinen unergründlichen, beinahe unmenschlichen Augen. »Ich weiß eine ganze Menge darüber, was es heißt, zur Hälfte tot zu sein«, antwortete er.
    Niemand wagte es, das Schweigen zu durchbrechen. Sie warteten auf Paul. Schließlich fuhr er fort, mit einer Stimme, die wieder mehr Ähnlichkeit mit der seinen hatte: »Es tut mir leid. Es … . kommt einfach so über mich, und es wirft mich um. Levon, ich …«
    Der Dalrei schüttelte den Kopf. »Macht nichts. Ehrlich nicht. Es ist ein Wunder und kein Geschenk, soviel weiß ich, dass du nicht verdient hättest. Ich bin über alle Maßen dankbar, dass du hier bist, aber ich beneide dich nicht.«
    Womit er, dachte Kim, gar nicht so unrecht hat. Sie fragte: »Gibt es noch mehr, Paul? Sollen wir sie erwecken?«
    Er blickte sie an, mit jeder Sekunde, die verging, wieder mehr der Alte. Es war, als habe ein Erdbeben den Raum erschüttert und sei nun vorbei. Oder ein übermächtiges Donnergrollen.
    »Mehr gibt es

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