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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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gähnende Höhlung, wo vorher der Felsen gewesen war, und Mondlicht, das auf das Gras vor der Höhle fiel. Der Baelrath war wieder gedämpft; er schimmerte sanft, rot vor dem Hintergrund des Schnees, aber nicht flammend rot.
    Es geschah im Licht des Mondes, silbrig und vertraut, dass sie Dave mit langen, getragenen Schritten voll unbewußter Anmut neben Kim treten sahen, um dann, nachdem sie zurückgewichen war, ganz allein in der Gabelung des Baumes zu stehen.
    »Das Feuer weckt sie«, hörten die anderen sie sagen. »Und das Horn ruft sie, Dave, du musst sie befreien.«
    Ohne ein Wort legte der hünenhafte Mann den Kopf in den Nacken. Weit spreizte er die Beine, um sicher im Schnee zu stehen. Dann hob er Oweins Horn, dass es im Mondlicht glitzerte, und setzte es an die Lippen und erzeugte mit der ganzen Kraft seiner Lungen den Lichten Ton.
    Keiner der versammelten Männer, auch nicht die Frau, hat jemals im Leben diesen Klang vergessen können. Es war Nacht, und daher hatte der Ton, den sie vernahmen, mit Mond- und Sternenlicht zu tun, das bei einem tiefen Wald auf frisch gefallenen Schnee herabscheint. Und er setzte sich fort und fort, während Dave die Klänge hervorstieß, dass sie die Erde und den Himmel füllten und zu seiner eigenen Herausforderung an die Finsternis wurden. Weiter blies er und immer weiter, bis es den Anschein hatte, als müssten seine Lungen bersten, seine gespreizten Beine einknicken, sein Herz brechen unter der Last der Schönheit, die ihm zuteil geworden war, und angesichts ihrer ungeheuren Zerbrechlichkeit.
    Als der Ton verhallte, war die Welt nicht mehr dieselbe, sämtlichen Welten erging es so, und die Hände des Webers gerieten in Bewegung, um einen lange Zeit stillgelegten Fadenlauf erneut dem Webmuster des Gewirks hinzuzufügen.
    Auf der freien Fläche vor der Höhle aber sah man sieben schattenhafte Gestalten, und jede von ihnen trug eine Krone und ritt auf einem schattenhaften Pferd, und die Umrisse jeder dieser Gestalten war verschwommen, wie hinter einer Rauchwolke.
    Und dann waren es plötzlich acht, als die sieben Könige beiseite traten und aus der Höhle der Schläfer Owein hervorkam, endlich, nach so langem Schlummer. Und wo die Färbung der Könige und ihrer schattenhaften Pferde dunkelgrau war, ging die von Owein über von hellem Grau zu Silber, und die Farbe seines schattenhaften Pferdes war schwarz, und er war größer als sie alle, und seine Krone glitzerte heller. Und in sie eingelassen waren Steine, rot wie das Rot des Baelrath, und obendrein war ein roter Stein in das Heft seines gezogenen Schwertes eingesetzt.
    Er rückte vor, an den sieben Königen vorbei, und sein Pferd berührte im Gehen nicht den Boden, nicht anders als die grauen Pferde der Könige. Und Owein hob grüßend vor Dave sein Schwert und noch einmal vor Kim, die das Feuer trug. Dann warf er das mächtige Haupt in den Nacken, um über die zwei hinwegzublicken, und musterte die hinter ihnen versammelte Schar. Einen Augenblick verhielt er so, und sie sahen, wie seine Miene sich verfinsterte und das gewaltige schwarze Pferd sich auf die Hinterhand aufbäumte, und dann erschallte Oweins Stimme, welche die des Sturmwinds war.
    »Wo ist das Kind!«
    Und die grauen Pferde der Könige erhoben sich gleichfalls auf die Hinterhand, und die Könige ließen ihre Stimmen vernehmen, und sie riefen: »Das Kind! Das Kind!« – ein Chor wie heulende Winde, und die versammelten Menschen fürchteten sich.
    Es war Kimberly, die zu ihnen sprach, während sie sich insgeheim eine Närrin schimpfte: denn dies, dies, dies war es, woran sie den ganzen Nachmittag über und während des Ritts zu diesem von Mächten erfüllten Ort zu denken versucht hatte.
    »Owein«, erklärte sie, »wir sind hierher gekommen, dich zu befreien. Wir wussten nicht, was wir darüber hinaus für dich hätten tun müssen.«
    Er peitschte sein Pferd, und mit einem Aufschrei sprang es über ihr in die Luft, die Zähne entblößt, und trat mit den Hufen nach ihrem Kopf. Sie stürzte zu Boden. Er aber ragte über ihr auf, zornig und ungestüm; und sie hörte zum zweiten Mal seinen Ruf: »Wo ist das Kind!«
    Und dann veränderte sich noch einmal die Welt. Veränderte sich auf eine Weise, die keiner unter ihnen, nicht einer, weder die Sterblichen, noch die Mächte des Waldes, noch die zusehenden Götter vorausgesehen hatten.
    Aus der Baumgruppe nicht weit von ihnen entfernt kam ruhig eine Gestalt gegangen.
    »Versetze sie doch nicht in Angst. Ich bin ja

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