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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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was meinst du?« sagte er zu Paul.
    »Mehr als das. Dies ist Ysannes See. Wo der Wassergeist haust. Der, den Kim gesehen hat.«
    »Meinst du, es liegt daran?«
    »Kann sein.« Aber dann achtete Paul nicht mehr so recht auf ihn. Er hatte sein Pferd gezügelt und blickte hinab auf die kleine Hütte am See. Sie machten einen Umweg um sie, kamen auf einem hohen Grat an ihr vorbei, aber Kevin konnte die zwei Knaben erkennen, die aus ihr hervorkamen, um einen Blick auf die vorüberziehende Reiterschar zu werfen. Einem Impuls folgend winkte Kevin, und der Ältere winkte zurück. Es sah aus, als bückte er sich und spräche mit seinem Bruder, und einen Augenblick darauf hob auch der kleine Kerl die Hand zum Gruß.
    Kevin grinste und wandte sich an Paul, um etwas zu ihm zu sagen. Doch was er dort in Schafers erstarrten Gesichtszügen erblickte, löschte das fröhliche Lächeln auf dem seinen aus. Als sie gleich darauf weiterritten, in raschem Tempo, weil sie die anderen einholen wollten, war Paul ausgesprochen schweigsam, und sein Gesicht blieb starr und verbissen. Er verzichtete auf eine Erklärung, und diesmal stellte Kevin keine Fragen. Er war sich nicht sicher, ob er besonders gut damit fertig werden würde, noch einmal zurückgewiesen zu werden.
    Er holte zu Coll auf und ritt den Rest ihres Weges neben ihm. Es wurde kälter, als sie das Nordende des Tals erreichten, und dunkel, als sie die Hauptstraße von Rhoden zur Nordfeste überquert hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte er eine Fackel in der Hand, eine Aufgabe, die ihm neuerdings immer wieder zuzufallen schien. Die größte Helligkeit jedoch rührte nicht etwa vom tiefstehenden Mond her, der zu ihrer Rechten durch die Wolken schien, sondern von dem anwachsenden Strahlen des Lichts, das von dem Ring an Kims Finger ausging. Ein ungezügeltes Ding zum anderen, entsann sich Kevin.
    Und so kamen sie, geleitet von dem rotglühenden Baelrath, schließlich zum Pendaranwald. Dort gab es Mächte, die auf sie aufmerksam geworden waren, angelockt durch ihre Gegenwart und durch die Kraft des Rings. Darüber hinaus hatten sich noch andere Mächte versammelt: die Göttin, deren Geschenk umfassender geworden war, als es ihre Absicht gewesen war, und ihr Bruder, der Gott der Tiere und des Waldes. Über ihren Köpfen aber wartete Mörnir, und Dana wusste ebenfalls, warum der Kriegsstein loderte. Weit droben im Norden, auf seinem Sitz inmitten des Eises, verhielt einen Augenblick lang der Entwirker und wunderte sich, obwohl ihm nicht recht klar war, weswegen und warum.
    Und weit, weit über alledem, außerhalb der Zeit, verlangsamte sich das Schiffchen im Webstuhl der Welten, und dann ruhte es ganz, während auch der Weber einen Blick auf sie richtete, um zu sehen, was da in das Gewirk zurückkehren würde.
    Da trat Kimberly vor, an den Rand des Pendaranwaldes, geleitet von der Flamme an ihrer Hand. Die anderen blieben wartend hinter ihr zurück, schweigend und ängstlich. Und sie kam, ohne dass ihr jemand den Weg gewiesen hätte, als wäre sie ihn schon einmal gegangen, an jenen Ort, wo der Blitz vor so langer Zeit einen gigantischen Baum gespalten hatte, dass nicht einmal die Lios Alfar die Nacht dieses Sturms erlebt hatten. Und sie stand in der Gabelung dieses Baumes, ungezügelte Magie an der Hand, und unter dem mächtigen Felsen, den sie von dort erkennen konnte, schlummerte eine noch ungezügeltere Magie, und an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt kannte ihr Herz keine Angst, nicht einmal Erstaunen. Sie war auf sie eingestimmt, auf die ungezügelte, uralte Macht, und die war ungeheuer groß. Sie wartete darauf, dass der Mond hinter seiner Wolkenbank hervortrat. Über ihr leuchteten die Sterne, sommerliche Sterne über dem Schnee. Der Baelrath jedoch leuchtete heller als alle Sterne, heller noch als der Mond, den die Wilde Jagd vor so langer Zeit verschoben hatte. Sie sammelte sich mit einem tiefen Atemzug, fühlte sich erfüllt vom Wesen aller Dinge. Sie hob die Hand, damit das rote Feuer durch den geborstenen Baum hindurch leuchte. Sie rief: »Owein, erwache! Diese Nacht ist dafür geschaffen, zu reiten. Willst du denn nicht erwachen, um zwischen den Sternen zu jagen?«
    Sie mussten allesamt die Augen verschließen vor dem roten Lodern, das durch ihre Worte entfesselt wurde. Und dann hörten sie einen Laut wie von einem Bergrutsch, und dann war alles still.
    »Es ist gut«, sagte Kim. »Komm, Dave. Nun ist die Reihe an dir.« Und sie machten die Augen auf und erblickten eine

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