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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Vater fort war im Krieg. Doch was hätte er dagegen tun sollen, wer war er, dass er verweigern sollte, was ihm bestimmt war? Dies waren finstere Zeiten, vielleicht die finstersten von allen. Er war berufen. Seine Beine würden sich in Bewegung setzen, auch wenn sein Herz und all sein Mut zurückblieben. Es war besser, das wusste er, wenn er mit Herz und Seele dabei war, damit sein Opfer an Tiefe und Wahrhaftigkeit gewann. Nach und nach wurde ihm eine Anzahl völlig unerwarteter Dinge klar. Er befand sich schon auf dem Weg.
    »Wo ist Dari?« erkundigte er sich. Eine alberne Frage. »Darf ich ihn wecken?«
    Vare lächelte nachsichtig. »Du willst spielen? Na gut, er hat genug geschlafen, nehme ich an.«
    »Ich schlaf’ doch gar nicht«, ließ sich Dari vernehmen, noch nicht ganz wach, hinter seinem Vorhang. »Ich hab’ gehört, wie du hereingekommen bist.«
    Das, wusste Finn, würde das schwerste werden. Er durfte nicht weinen. Er musste Dari ein Bild der Stärke hinterlassen, rein und ungetrübt. Das war der letzte Schutz, den er ihm gewähren konnte.
    Er zog die Vorhänge zurück, sah die verschlafenen Augen seines kleinen Bruders. »Komm«, forderte er ihn auf. »Wir wollen dich rasch anziehen und dann ein Muster in den Schnee weben gehen.«
    »Eine Blume?« fragte Dari. »Vielleicht sogar die Blumen, welche wir gesehen haben?«
    »Wie die, welche wir gesehen haben.«
     
    Sie waren noch nicht lange draußen. Ein Teil seines Wesens weinte innerlich und sagte, das sei nicht genug, er brauche mehr Zeit. Dari brauche mehr. Doch die Berittenen waren da, acht an der Zahl, und jener Teil seines Wesens, der sich bereits auf den Weg gemacht hatte, wusste, dass dies der Anfang war, ja sogar, dass die Zahl stimmte.
    Als er sie genauer betrachtete, wobei Dari fest seine Hand umklammerte, hob einer der Reiter den Arm und winkte ihm zu. Langsam tat Finn es ihm nach und gab seine Billigung zu erkennen. Dari blickte mit unsicherem Gesicht zu ihm auf. Finn ging neben ihm in die Knie.
    »Winke, Kleiner. Das sind Mannen des Großkönigs, und sie grüßen uns.«
    Immer noch verschüchtert hob Dari die kleine, in einem Fäustling steckende Hand zu einem zaghaften Winken. Finn musste einen Moment lang die Augen abwenden.
    Dann sprach er mit ruhiger Stimme zu dem Bruder, der seine ganze Freude war: »Ich will losgehen und sie kurz einholen, Kleiner. Ich muss sie etwas fragen. Warte du und versuche, ob du schon mal allein mit der Blume anfangen kannst.«
    Dann richtete er sich auf und begann sich zu entfernen, damit der Bruder sein Gesicht nicht sehe, denn nun kamen ihm die Tränen. Er konnte ihm am Ende nicht einmal »Ich hab’ dich lieb«, zurufen, weil Dari alt genug war, zu spüren, dass etwas nicht stimmte. Doch er hatte es so oft gesagt, es aus ganzem Herzen so gemeint. Oh, bestimmt war das oft genug gewesen, in der kurzen Zeit, die ihm gegeben war. Bestimmt war es doch oft genug?
    Als Vae eine Weile später draußen nachschaute, bemerkte sie, dass ihr älterer Sohn nicht da war. Dari aber hatte ein wahres Wunder vollbracht. Er hatte eine vollkommene Blume in den Schnee gezeichnet, ganz allein.
    Sie verfügte über eine ganz eigene Tapferkeit, und sie wusste, was eingetreten war. Sie versuchte, sich erst auszuweinen, ehe sie auf den Hof hinausging, um ihrem Kleinen zu sagen, wie schön seine neueste Blume geraten sei und dass es nun Zeit sei, hereinzukommen und zu essen.
    Was sie am Ende doch zerbrechen ließ, war der Anblick von Dari, der still durch den Schnee stapfte und in der zunehmenden Dunkelheit ordentlich die Umrisse seiner Blume zeichnete, während ihm zugleich unablässig die Tränen über das Gesicht liefen.
     
    Durch die Dämmerung folgte er ihnen, und dann im Licht des Mondes und ihrer Fackeln. Sie beeilten sich nicht; er war nicht weit hinter ihnen. Irgendwie war ihm klar, dass er hätte Schritt halten können, selbst wenn sie ein schärferes Tempo vorgelegt hätten. Er befand sich auf dem Weg. Dies war der Tag, die Nacht und, beinahe schon, die Stunde.
    Und dann kamen alle drei Elemente zusammen. Er empfand keine Furcht, und während er sich weiter und immer weiter von der Hütte entfernte, war auch sein Kummer nach und nach verblasst. Er verließ die Kreise der Menschen, ging über an einen anderen Ort. Es bereitete ihm Mühe, dass er den Weber bitten musste, die Fäden der Frau Vae und des Kindes Darien auf dem Webstuhl festzuhalten. Es bereitete ihm Mühe, doch er tat es, und dann, nachdem er dies Letzte

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