Das wandernde Feuer
ganzem Herzen danach sehnte, sondern geradewegs in den öden Winter, der es umgab. Mit aller Macht stieß sie vor, bezog ihre Kraft aus der der anderen und wurde zu einem Pfeil, abgeschossen von einem Bogen aus Licht, der auf das Wintergebilde zuflog.
Und es durchbrach.
Schwarze Finsternis. Das Bild verschwunden. Sie wirbelte herum. Kein kontrollierter Flug mehr. Sie drang ein, sehr schnell, und es war nichts zur Hand, an dem sie sich hätte festhalten können, kein -
Ich bin da. Und Loren war da.
Ich auch . Jaelle.
Immer. Der tapfere Teyrnon.
Doch es war nach wie vor finster, und sie drang so weit ein. Keine Empfindung von Raum, von Umgrenzung, nichts, wonach sie hätte greifen können, ungeachtet der Anwesenheit der anderen. Sie reichten nicht aus. Nicht dort, wohin sie geraten war, dermaßen tief im Einflussbereich des Entwirkers. Die Finsternis war so undurchdringlich. Sie hatte sie schon einmal erlebt, als sie um Jennifers willen hineingetaucht und wieder emporgekommen war, doch diesmal hieß es, immer weiter einzudringen, und sie hatte noch einen so weiten Weg vor sich.
Dann war der fünfte Helfer da und teilte sich mit.
Der Ring . Sie hörte Gereint, als wäre er die Stimme des Keia, jenes Nachtgeschöpfs, Wächter des Pfades zur Totenwelt.
Ich kann nicht! gab sie zurück, aber im selben Moment, als sie den Gedanken formulierte, spürte Kim bereits das furchtbare Feuer, und ihr Bewusstsein wurde von rotem Licht durchdrungen.
Und von Schmerzen. Sie merkte nicht, dass sie im Tempel laut aufschrie. Ebenso wenig nahm sie wahr, wie heftig das Licht unter der Kuppel aufflammte.
Sie stand in Flammen. Zu nahe war sie. Zu weit ins Netz der Finsternis vorgedrungen, zu nahe am Zentrum der Macht. Die Flamme umgab sie, und Feuer bedeutet mehr als nur Licht. Es brennt, und sie war mitten darin. Sie konnte –
Linderung. Ein kühlender Hauch, wie vorn Nachtwind im herbstlichen Gras der Ebene. Gereint. Und nun eine weitere Empfindung: Mondlicht über Calor Diman, dem Kristallsee. Das war Loren, mit Hilfe von Matt.
Und dann ein Ansporn: Komm! rief Jaelle. Wir sind nahe daran .
Und Teyrnons Stärke, aus sich selbst heraus kühlend: Wir müssen noch weiter, glaube ich, doch ich bin da.
Also drang sie weiter vor. Vorwärts und hinab, beinahe aussichtslos weit erschien ihr der Weg, den sie noch zurückzulegen hatte. Es brannte, aber die anderen beschützten sie, sie konnte es ertragen, sie würde es ertragen, das Feuer war ungezügelt, doch es war nicht die Finsternis, die das Ende bedeutete.
Nun war sie kein Pfeil mehr, sondern verwandelte sich in einen Stein und stürzte in die Tiefe. Getrieben von einem Bedürfnis, einem leidenschaftlichen Verlangen nach Licht stieß sie in die Finsternis vor. Ein roter Stein, der hinabfiel in den verborgenen Kern, in die von ekligem Gewürm verseuchten Höhlungen von Maugrims bösen Machenschaften. Diesem Nicht-Ort fiel sie entgegen, denn sie hatte alle Verbindungen mit der Außenwelt abgeschnitten, außer der einen, über die sie, auch wenn sie starb und damit verloren war, ein einziges klares Bild zurückschicken konnte, damit die Magier ihm in jenem unendlich fernen Kuppelsaal Gestalt verleihen konnten.
Zu fern. Sie war zu tief hinabgesunken und sie fiel zu schnell, ihr Sein war nur noch ein verschwommener Fleck, ein Schatten, sie konnten sie nicht halten. Einen nach dem anderen ließ sie ihre Helfer hinter sich zurück. Mit einem verzweifelten Aufschrei spürte Loren, der als letzter übrig war, wie sie ihm entglitt.
Geblieben waren das Feuer und Rakoth, doch niemand, der beide von ihr ferngehalten hätte. Sie war allein und verloren.
So hätte es jedenfalls sein müssen. Doch während sie noch brennend hinabstürzte, begegnete sie einem neuen Bewusstsein, so tief drunten in der Finsternis, dass sie es kaum fassen konnte.
Wieder ließ das Brennen nach. Sie konnte weiterbestehen, sie konnte sich trotz der Schmerzen bewegen, und dann hörte sie, wie die Erinnerung an einen reinen, freundlichen Ort, den Gesang einer tiefen Stimme.
Dazwischen lag Finsternis, die das andere Bewusstsein wie ein schwarzgeflügeltes Wesen verdeckte. Sie war beinahe am Ende. Beinahe, aber nicht ganz. Erst war sie ein roter Pfeil gewesen, dann ein Stein. Nun verwandelte sie sich in ein Schwert, naturgemäß in ein rotes. Sie wandte sich um. In dieser Welt ohne Orientierung wandte sie sich irgendwie um, durchschnitt mit einem letzten Aufwallen ihres Mutes den Vorhang, sah den anderen hilflos
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