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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Aufbäumen ihrer Seele hatte übermitteln wollen. Er konnte nicht einmal sehen, ob sie noch atmete. Es gab überhaupt nur sehr wenig, was er sehen konnte.
    Ein Schatten regte sich. Das war Matt Sören, der sich erhob. Jemand ergriff das Wort. »Es war zu grell«, erklärte Shalhassan.
    »Ich konnte nichts erkennen.« Seine Stimme war schmerzerfüllt. »Ich auch nicht«, murmelte Ivor. Viel zu spät kehrte sein Sehvermögen zurück.
    »Ich habe es gesehen«, erklärte Aileron. »Aber ich verstehe es nicht.«
    »Es war ein Kessel.« In Arthur Pendragons Stimme schwang ruhige Gewissheit mit. »Auch ich habe ihn erkannt.«
    »Ja, ein Kessel«, bestätigte Loren. »In Cader Sedat. Das wissen wir bereits.«
    »Aber da besteht kein Zusammenhang«, ereiferte Jaelle sich kraftlos. Sie sah aus, als stünde sie kurz vor dem Zusammenbruch. »Er erweckt die kurz zuvor Verstorbenen. Was hat der Kessel von Khath Meigol mit dem Winter zu tun?«
    Das war tatsächlich die Frage, dachte Ivor, und dann vernahm er Gereints Stimme. »Junger Mann«, krächzte der Schamane beinahe unhörbar, »dies ist die Stunde der Magier. Für diesen Augenblick hast du gelebt. Erster Magier von Brennin, was bewirkt er mit dem Kessel?«
    Die Stunde der Magier, dachte Ivor. Im Tempel der Dana zu Gwen Ystrat. Das Muster des Gewirks überstieg wahrlich jegliches Fassungsvermögen.
    Ohne die fragenden Blicke der anderen zu beachten, wandte Loren sich langsam seiner Quelle zu. Magier und Zwerg blickten sich an, als gäbe es niemand sonst in diesem Saal, auf dieser Welt. Selbst Teyrnon und Barak, bemerkte Ivor, beobachteten die beiden abwartend. Ivor stellte bei sich fest, dass er den Atem anhielt und dass seine Handflächen feucht waren.
    »Erinnerst du dich«, ließ sich Loren unvermittelt vernehmen, und in seiner Stimme hörte Ivor jene Macht anklingen, die auch Gereint zu eigen war, wenn er im Namen des Gottes sprach, »erinnerst du dich an das Buch des Nilsom?«
    »Verflucht sei sein Name«, erwiderte Matt Sören. »Ich habe es nie gelesen, Loren.«
    »Ich auch nicht«, versicherte Teyrnon leise. »Verflucht sei sein Name.«
    »Aber ich«, erklärte Loren. »Und ebenso Metran.« Er hielt inne. »Ich weiß, was er tut und wie er es tut.«
    Mit einem Keuchen ließ Ivor die Luft aus seinen Lungen entweichen und holte tief Atem. Er hörte, wie die anderen Anwesenden es ihm gleichtaten. In Matt Sörens einem Auge sah er den gleichen Stolz aufblitzen, mit dem Leith ihn manchmal betrachtete. Ruhig sagte der Zwerg: »Das hatte ich von dir auch nicht anders erwartet. Wir bekommen also unsere Schlacht?«
    »Ich habe dir vor langer Zeit eine versprochen«, antwortete der Magier. Ivor schien es, als sei er vor ihren Augen gewachsen.
    »Gepriesen der Weber!« rief plötzlich Aileron, der Großkönig, und seine Stimme klang tief bewegt.
    Rasch sahen sie sich alle nach ihm um. Aileron war in die Hocke gegangen und hielt Kims Kopf in seinen Armen, und Ivor konnte erkennen, dass sie normal atmete und wieder Farbe im Gesicht hatte.
    Sie warteten in versunkenem Schweigen und Ivor sah, den Tränen nahe, wie jung ihr Gesicht unter dem weißen Haar war. Er ließ sich allzu leicht zu Tränen hinreißen, das wusste er. Leith hatte ihn deshalb oft genug verspottet. Aber in diesem Moment waren sie doch wohl am Platze? Er bemerkte die Tränen im Gesicht des Großkönigs und ein verräterisches Glitzern in den Augen des gestrengen Shalhassan von Cathal. In solcher Gesellschaft, dachte er, müsste es da nicht auch einem Dalrei gestattet sein, zu weinen?
    Nach einer Weile öffnete sie die Augen. In deren Grau spiegelten sich Schmerz und tiefe Erschöpfung, aber ihre Stimme war klar und deutlich, als sie sprach.
    I »Ich habe etwas gefunden«, teilte sie ihnen mit. »Ich habe versucht, es euch zu übermitteln. Habe ich es geschafft? Ist es gelungen?«
    »Du hast es geschafft, und es ist gelungen«, erwiderte Aileron brummig.
    Sie lächelte mit der Arglosigkeit eines Kindes. »Gut«, sagte sie. »Dann werde ich jetzt schlafen. Ich könnte tagelang schlafen.« Und damit schloss sie die Augen.

 
Kapitel 11
     
    »Nun weißt du«, witzelte Carde mit einem Augenzwinkern, »warum die Männer aus Gwen Ystrat immer so müde aussehen!«
    Kevin lächelte und leerte sein Glas. Die Schenke war überraschenderweise nicht überfüllt, wenn man davon ausging, welche Kräfte in dieser Nacht die Oberhand hatten. Augenscheinlich waren sowohl von Aileron als auch von Shalhassan dementsprechende Befehle

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