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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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hinwegsetzte, um schließlich im weichen Schnee zu landen.
    Zumindest war es so vorgesehen.
    Der radikale Gegensatz zwischen Theorie und Praxis offenbarte sich jedoch genau dort, wo die Gestalt Dave Martyniuks im Flug gegen die Schulter des Ebers prallte.
    Er brachte das Tier ungefähr fünf Zentimeter vom Kurs ab.
    Gerade weit genug, dass Kevins rechte Hand abrutschen konnte, als er gerade nach einem Halt suchte, um darüberzuspringen. Aber er fand keinen. Bäuchlings landete er auf dem Rücken des Ebers, wobei ihm jedes atembare Molekül Luft aus den Lungen gepresst wurde, doch da setzte ein letzter primitiver Mechanismus seines Bewusstseins ein und schrie: Abrollen, und sein Körper gehorchte.
    Gerade weit genug, dass der rechte Hauer des Tiers bei seinem tückischen, ausholenden Stoß nur die äußeren Gewebsschichten der Leistengegend aufriss, anstatt sich aufwärts hineinzubohren, um seinem Leben ein Ende zu machen. Schließlich führte er doch noch seinen Salto aus und kam im Gegensatz zu Dave im Schnee auf.
    Aber er litt starke Schmerzen, an einer wahrhaft schlimmen Körperstelle, und Tropfen seines Blutes leuchteten im Schnee wie verstreute rote Blumen.
    Es war Brock, der den Eber von ihm ablenkte, und Diarmuid, der ihm den ersten Schwerthieb verpasste. Nach und nach gesellten sich eine ganze Reihe von Schwertern hinzu; er konnte den gesamten Vorgang verfolgen, aber es war unmöglich festzustellen, wer dem Tier den Todesstoß versetzte.
    Sie behandelten ihn mit allergrößter Vorsicht, als es darum ging, ihn fortzuschaffen, und es wäre geradezu unhöflich gewesen, zu schreien, daher hielt er die Äste umklammert, aus denen sie ihm eine behelfsmäßige Trage gezimmert hatten, bis er glaubte, seine Hände hätten das Holz auseinandergebrochen, und er schrie nicht.
    Probierte sich gar an einem Scherz, als Diarmuids Gesicht unnatürlich blass über ihm auftauchte. »Sollte es eine Wahl geben zwischen mir und dem Kind«, murmelte er kraftlos, »dann rettet das Kleine.« Diar lachte nicht. Kevin war sich im Unklaren, ob er die Pointe überhaupt verstanden habe, und fragte sich, wo Paul sein mochte, dem sie sicher nicht entgangen wäre. Er schrie nicht.
    Er verlor nicht das Bewusstsein, bis einer der Träger beim Verlassen des Waldes über einen Zweig stolperte.
     
    Martyniuk lag im nächsten Bett und beobachtete Kevin, als er zu sich kam. Hatte einen riesigen, blutgetränkten Verband um den Kopf. Sah nicht aus, als sei ihm sonderlich wohl.
    »Du bist heilgeblieben«, tröstete ihn Dave. »Alles noch dran.«
    Er hätte gern etwas Komisches darauf erwidert, doch dafür war seine Erleichterung zu groß. Er schloss die Augen und holte tief Luft. Die Schmerzen waren überraschend gering. Als er die Augen wieder aufmachte, sah er, dass noch eine ganze Reihe anderer im Raum versammelt waren: Diar und Coll und Levon. Dazu Torc, und Erron. Freunde. Er und Dave lagen im Empfangsraum im Quartier des Prinzen auf Lagern, die man dicht ans Feuer gerückt hatte.
    »Ich bin tatsächlich heilgeblieben«, bestätigte er. Er wandte sich an Dave. »Und du?«
    »Alles in Ordnung. Obwohl ich nicht weiß, wieso.«
    »Die Magier waren hier«, berichtete Diarmuid. »Alle beide. Jeder hat einen von euch geheilt. Das hat eine Weile gedauert.«
    Kevin kam ein bestimmter Gedanke. »Moment mal. Ich dachte –«
    »– dass die Quellen erschöpft wären«, beendete Diarmuid den Satz. Seine Augen blickten ernsthaft. »Das waren sie auch, aber wir hatten kaum eine andere Wahl. Jetzt ruhen sie sich im Tempel aus, Matt und Barak. Sie werden sich wieder erholen, versichert Loren.« Der Prinz lächelte nach und nach wieder. »Nur am Maidaladan werden sie nicht teilnehmen können. Ihr werdet sie dafür entschädigen müssen. Auf welche Weise auch immer.«
    Alle lachten. Kevin schaute zu Dave hinüber. »Sag mal«, äußerte der hünenhafte Mann bedächtig, »hab’ ich dir nun das Leben gerettet oder beinahe dafür gesorgt, dass du umkommst?«
    »Wir wollen uns auf die erste Version einigen«, schlug Kevin vor. »Aber es ist gut, dass du mich nicht Recht leiden kannst, denn wenn es so wäre, dann hättest du diesem Schwein einen echten Stoß versetzt, anstatt nur so zu tun. Und in dem Fall –«
    »Heh!« rief Dave aus. »Heh! Das ist nicht … das ist nicht ge … .« Er verstummte, weil alle anderen lachten. Aber er hatte vor, sich diesen Spruch zu merken, für später. Kevin gelang es immer wieder, ihn hochzunehmen.
    »Da wir gerade von Schweinen

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