Das wandernde Feuer
sprechen«, mischte sich Levon ein, um Dave aus der Klemme zu helfen, »wir braten diesen Eber am Spieß, um ihn heute Abend zu verspeisen. Ihr müsstet das eigentlich schon riechen.«
Nach einem Augenblick und einigen prüfenden Atemzügen konnte Kevin es tatsächlich riechen. »Das«, verkündete er aus vollem Herzen, »war ein ganz gehöriges Schwein.«
Diarmuid grinste schon wieder. »Wenn ihr es einrichten könntet, zum Abendessen zu kommen«, sagte er, »wir haben jedenfalls Vorkehrungen getroffen, dass euch die besten Stücke aufgehoben werden –«
»Nein!« stöhnte Kevin, der schon wusste, was jetzt kommen musste.
»Ja, wirklich, ich habe mir gedacht, du könntest Gefallen daran finden, dem Eber zu nehmen, was er beinahe dir genommen hat.«
Diarmuid stieß damit auf große Begeisterung und wurde mit lautem Gelächter belohnt, was, wie Kevin klar wurde, vor allem von innerlicher Erregung gespeist wurde. Es war Maidaladan, der Abend der Sommersonnenwende, und das machte sich bei allen übrigen Männern im Raum bemerkbar. Er stand auf in dem Bewusstsein, dass allein das schon ein kleines Wunder bedeutete. Er trug zwar einen Verband, konnte sich jedoch frei bewegen, und so erging es anscheinend auch Dave. An dem hünenhaften Mann konnte Kevin die gleiche, kaum zügelbare sexuelle Gereiztheit ablesen, die auch bei allen anderen aufgekommen war. Bei allen außer ihm, aber diesmal plagte ihn dabei tief in seinem Innern ein Gedanke, und er schien wichtig zu sein. Es handelte sich nicht um eine Erinnerung, um etwas, worüber er Bescheid wusste, es ging um etwas anderes … .
Doch es wurde viel gelacht, und überall herrschte raue, unbändige Fröhlichkeit. Er ließ sich davon mitreißen, genoss die Kameradschaft der anderen. Als sie das Versammlungshaus Morvrans betraten – an diesem Abend vorgesehen als Speisesaal – kam bei den Soldaten von Brennin und Cathal spontaner Beifall auf, und Kevin erkannte, dass der Jubel ihm und Dave galt.
Sie saßen bei Diarmuids Mannen und bei den zwei jungen Dalrei. Ehe das Festmahl in aller Form eröffnet wurde, erhob sich Diarmuid, getreu seinen Worten, von seinem Platz an der Tafel und kam, eine Servierplatte feierlich vor sich her tragend, zu Kevin herüber.
Umgeben von wachsender Heiterkeit und vom Rhythmus der Fäuste von fünfhundert hungrigen Männern, die auf die langen Holztische klopften, gemahnte Kevin sich, dass man so etwas für eine Delikatesse hielt. Ein volles Weinglas in der Hand stand er auf, verneigte sich vor Diarmuid und verspeiste dann die Hoden des Ebers, der ihn beinahe getötet hätte.
Kein übler Geschmack, wenn man es so bedachte.
»Noch was da?« fragte er laut und hatte die Lacher für diesen Abend auf seiner Seite. Sogar Dave Martyniuk, wozu schon einiges gehörte.
Aileron hielt eine kurze Ansprache, und dann Shalhassan, wobei beide sich klugerweise kurz fassten, in Anbetracht der allgemeinen Stimmung im Saal. Außerdem, dachte Kevin, mussten die Könige es auch spüren. Die Schankmädchen – Töchter der Dorfbewohner, nahm Kevin an – kicherten bereits und entzogen sich den Annäherungsversuchen. Doch sie schienen nicht böse darüber zu sein, und er fragte sich, wie sich das Maidaladan auf die Frauen auswirken mochte. Auf Jaelle und Sharra, oder gar auf dieses Schlachtschiff, Audiart, droben am Kopfende der Tafel. Später jedenfalls würde es wild zugehen, wenn die Priesterinnen kamen.
An allen vier Wänden waren hoch droben Fenster eingelassen. Inmitten des Trubels sah Kevin zu, wie es draußen allmählich dunkel wurde. Doch es herrschte zuviel Lärm, zuviel fieberhafte Erregung, als dass jemand seinen ungewöhnlichen Gleichmut bemerkt hätte.
Er war der einzige im Saal, der den Mond erblickte, als er anfing, durch die westlichen Fenster hereinzuscheinen. Es handelte sich um Vollmond, um die Mittsommernacht, und jetzt quälte ihn der Gedanke am Rande seines Bewusstseins stärker und mühte sich, Gestalt anzunehmen. Unauffällig erhob er sich und ging hinaus, und er war nicht der erste, der sich davonstahl. Selbst bei dieser Kälte hielten draußen vor dem Saal die Paare sich eng umschlungen, ohne auf ihn zu achten.
Er schob sich an ihnen vorbei, und seine Verletzung tat nun ein wenig weh, als er mitten auf der vereisten Straße stand und in östlicher Richtung zum Mond aufblickte. Endlich kam in seinem Innern etwas in Fluss und nahm Gestalt an. Doch nicht körperliches Verlangen, sondern das, was jenseits dieses Verlangens lag, was
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