Das wandernde Feuer
Khath Meigol nach wie vor am Leben und werden dort festgehalten.«
Jaelle setzte sich recht plötzlich hin. »Dana, unser aller Mutter!« rief sie aus. »Was sollen wir denn bloß tun?«
Kim schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht genau. Wir sprechen noch darüber. Aber nicht heute Abend, meine ich. Ich glaube nicht, dass heute Abend etwas Bedeutsames geschehen wird.«
Jaelles Mund geriet ins Zucken. »Sagt das denen in den grauen Gewändern, die ein ganzes Jahr darauf gewartet haben.«
Kim lächelte. »Ich stelle bloß Vermutungen an. Ihr wisst, was ich meine. Außerdem müssen wir über Darien sprechen.«
Jaelle gab ihr recht: »Pwyll ist im Augenblick bei ihm.«
»Ich weiß. Ich nehme an, er musste hingehen, aber ich wünschte, er wäre hier.«
Jaelle erhob sich wieder. »Ich werde nun gehen müssen. Sicher fangen sie bald an. Ich freue mich, zu sehen, dass es Euch besser geht.«
»Danke«, sagte Kim. »Für alles. Vielleicht schaue ich bei Gereint und den Quellen vorbei. Nur um ihnen guten Tag zu wünschen. Wo sind sie?«
Wieder wurde Jaelle verlegen. »Wir haben sie in die Gemächer gebettet, die ich benutze. Wir dachten, dort würde es ruhig sein – nicht alle Priesterinnen gehen hinaus, solange sich Männer im Tempel aufhalten.«
Gegen ihren Willen musste Kim kichern. »Jaelle«, stellte sie erheitert fest, »Ihr habt Euch die drei einzigen harmlosen Männer von Gwen Ystrat ausgesucht, um sie heute Nacht in Euren Gemächern schlafen zu lassen.«
Gleich darauf hörte sie die Hohepriesterin, soweit sie sich erinnern konnte, zum allerersten Mal lachen.
Sobald Kim allein war, schlief sie, all ihren guten Vorsätzen zum Trotz, wieder ein. Keine Träume, kein Wirken geheimnisvoller Kräfte, nur der tiefe Schlaf einer Frau, die ihrer Seele zuviel zugemutet hat und weiß, dass noch mehr auf sie zukommen wird.
Die Glocken weckten sie. Sie hörte das Rascheln langer Gewänder draußen in der Eingangshalle, die eiligen Schritte einer großen Zahl von Frauen. Es wurde geflüstert und atemlos gelacht. Dann, nach einer Weile, war es wieder still.
Sie lag im Bett, inzwischen hellwach, und dachte über vieles nach. Schließlich richteten ihre Gedanken sich auf einen Vorfall des vergangenen Tages, und nachdem sie alles gründlich erwogen und noch eine Weile still dagelegen hatte, stand sie auf, wusch sich das Gesicht und zog ihr eigenes, bodenlanges Gewand an, ohne etwas darunter.
Sie ging den gewundenen Gang entlang und horchte an einer Tür, durch die noch ein schwacher Lichtschein nach draußen drang. Nachdem sie sich vergewissert hatte, klopfte sie, und als er ihr aufmachte, trat sie ein.
»Dies ist keine Nacht, um allein zu sein«, begann sie und blickte zu ihm auf.
»Bist du dir deiner Sache sicher?« fragte er ganz ruhig.
»Ja«, erwiderte sie. Sie verzog den Mund. »Es sei denn, du ziehst es vor, dich auf die Suche nach der einen oder anderen Tempeldienerin zu machen?«
Er gab keine Antwort. Trat nur vor. Sie hob den Kopf, um seinen Kuss zu empfangen, der innig war und zugleich fordernd, wie sie es vorausgesehen hatte. Dann spürte sie, wie er die Haken ihres Gewandes löste, und als es zu Boden fiel, wurde sie mühelos von seinen starken Armen aufgehoben, und Loren trug sie zu seinem Bett in der Mittsommernacht.
Nach und nach bekam sie ein Gefühl dafür, wozu er imstande war, dachte Sharra, welche Formen sein Bedürfnis nach Zeitvertreib annehmen konnte. Vor einem Jahr war sie selbst Zielscheibe seiner Zerstreuung gewesen, doch er hatte sich dabei einen Messerstich geholt und beinahe gar den Tod. Von ihrem Platz an der Ehrentafel beobachtete sie ihn mit einem angedeuteten Lächeln auf den Lippen, als er aufstand und das dampfende Gekröse des Ebers zu demjenigen brachte, dessen Eingeweide aufgeschlitzt worden waren. Indem er die Gesten eines Bediensteten annahm, reichte Diarmuid Kevin die Schüssel.
Auch an ihn erinnerte sie sich: Er hatte einen gleichen Sprung gewagt wie sie vor einem Jahr, von der Musikantengalerie in Paras Derval herab, wenn auch aus einem völlig anderen Grund. Er sah gleichfalls gut aus, so hellhaarig wie Diarmuid, obwohl seine Augen braun waren. Außerdem hatten sie einen traurigen Ausdruck, dachte Sharra, und sie war nicht die erste Frau, die das bemerkte.
Ob er nun traurig war oder nicht, Kevin machte eine Bemerkung, dass die Männer in seiner Umgebung sich vor Lachen krümmten, und Diarmuid lachte ebenfalls, als er zu seinem Platz zwischen Sharras Vater und der
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