Das wandernde Feuer
selbst dabei.«
Sie war dabei gewesen. Er hatte den Ausgang der Dinge entschieden, keiner der Anwesenden im Großen Thronsaal an jenem Tag würde das wohl je vergessen. Sie blieb stumm, die Hände im Schoß.
Er fuhr fort: »Als du von der Galerie gesprungen bist, glaubte ich einen Raubvogel auf seine Beute herabstoßen zu sehen. Später, als du mein Kommen geahnt und mich mit Wasser überschüttet hast, als ich die Mauern emporgeklettert kam, glaubte ich, eine Frau zu erblicken, die ein Gefühl dafür hat, wie man ein Spiel angeht. Beides wurde mir vor sechs Tagen in Paras Derval wieder vor Augen geführt. Sharra, ich bin nicht hierhergekommen, dich ins Bett zu zerren.«
Ein ungläubiges Lachen entrang sich ihr.
Er hatte sich umgedreht und war ihr nun voll zugewandt. Auf seinem Gesicht lag das Mondlicht. »Es stimmt. Ich habe schon gestern gemerkt, dass mir die Leidenschaft des Maidaladan nicht gefällt. Ich ziehe meine eigene vor. Und die deine. Ich bin nicht hier, um dich ins Bett zu locken, sondern um zu sagen, was ich gesagt habe.«
Sie hatte die Hände ineinander verkrampft. Doch sie machte sich über ihn lustig, und ihre Stimme war kühl. »Ach ja«, spottete sie, »und ich schließe daraus, dass du im vergangenen Frühjahr nach Larai Rigal gekommen bist, nur um die Gärten zu sehen?«
Er hatte sich nicht von der Stelle bewegt, doch seine Stimme war irgendwie ganz nahe bei ihr, und sie klang rauer. »Nur eine Blume darin«, entgegnete Diarmuid. »Ich habe mehr gefunden, als ich zu finden erwartet habe.«
Sie hätte eigentlich etwas darauf erwidern müssen, hätte ihm eine seiner Sticheleien zurückgeben müssen, die jedermann klein und hässlich machten und so zynisch waren, doch ihr Mund war völlig ausgetrocknet, und sie konnte kein Wort hervorbringen.
Und nun kam er näher, nur einen halben Schritt, doch damit trat er aus dem Licht. Während sie sich anstrengte, in den Schatten etwas zu erkennen, hörte Sharra ihn vorsichtig, und nun – endlich – seine eigene Anspannung offen zeigend, sagen: »Prinzessin, dies sind böse Zeiten, denn der Krieg legt uns seine eigenen Zwänge auf, und dieser Krieg könnte das Ende all dessen bedeuten, was uns bekannt ist. Dessen ungeachtet möchte ich, falls du es gestattest, so feierlich um deine Hand anhalten, wie es je einer Prinzessin von Cathal widerfahren ist, und ich möchte morgen deinem Vater gegenüber dieselben Worte gebrauchen, wie heute Abend vor dir.«
Er schwieg. Plötzlich schien der ganze Raum von Mondlicht erfüllt, und sie zitterte an sämtlichen Gliedern. »Sharra«, bediente er sich der bei solchem Anlass vorgeschriebenen Formulierung, »in deinen Augen geht die Sonne auf.«
So viele Männer hatten mit diesen, den formellen Worten der Liebe, um sie angehalten. So viele Männer, doch keiner hatte sie je dazu gebracht, zu weinen. Sie wollte sich erheben, aber sie konnte sich nicht auf ihre Beine verlassen. Er war immer noch ein Stück weit von ihr entfernt. Feierlich, hatte er gesagt. Er würde morgen mit ihrem Vater sprechen. Und sie hatte gehört, dass seine Stimme rau klang.
Das tat sie auch weiterhin. Er fuhr fort: »Sollte ich dich erschreckt haben, tut mir das leid. Dies ist eine Sache, in der ich nicht geübt bin. Ich werde dich jetzt verlassen. Ich werde nicht mit Shalhassan sprechen, solange du mir nicht die Erlaubnis dazu erteilt hast.«
Er machte sich auf zur Tür. Und ihr wurde klar – er konnte ihr Gesicht nicht sehen, dort wo sie in den Schatten saß, und weil sie nichts erwidert hatte … .
Da stand sie doch noch auf und schlug vor, indem sie mit ihren Worten gegen eine Flut ankämpfte, die in ihrem Herzen aufstieg, schüchtern, doch nicht ohne einen fröhlichen Unterton: »Könnten wir nicht so tun, als sei nicht Maidaladan? Nur um festzustellen, wie weit wir mit unserer eigenen, unzulänglichen Leidenschaft kommen?«
Ein Laut entfuhr ihm, als er sich umdrehte. Sie trat zur Seite, ins Licht, damit er ihr Gesicht sehen konnte, und fügte hinzu: »Wen sonst sollte ich je lieben?«
Dann war er neben ihr und überragte sie, und seine Lippen berührten ihre Tränen, ihre Augen, ihren Mund, und der volle Mond der Mittsommernacht badete sie wie in einem Schauer weißen Lichts, ungeachtet der Finsternis, die um sie herum herrschte, und der Finsternis, die noch kommen sollte.
Es war kalt draußen im offenen Gelände, wenn auch heute Nacht nicht ganz so schlimm, und der Schnee und die Hügel waren hell erleuchtet. Über ihm
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