Das wandernde Feuer
Sharra freundlich. »Ich werde zurechtkommen. Nur … . das Fenster könntest du mir noch aufmachen, ehe du gehst.«
»Das Fenster?« Die Priesterin zeigte offen ihre Bestürzung. »Oh, Herrin, nein! Doch bestimmt nicht für Euch. Ihr müsst wissen, es wird heute Nacht recht wild zugehen, und die Männer aus dem Dorf, heißt es, sind manchmal schon … .«
Sie fixierte die Frau so abweisend, wie es ihr möglich war. Doch es war nicht leicht, eine geweihte Priesterin der Dana in Gwen Ystrat zum Schweigen zu bringen. »Ich denke nicht, dass sich irgendwelche Männer aus dem Dorf hierher wagen werden«, erklärte sie, »und ich bin es gewohnt, bei offenem Fenster zu schlafen, selbst im Winter.«
Ganz bewusst drehte sie der anderen den Rücken zu und begann ihren Schmuck abzunehmen. Ihre Hände blieben ruhig, doch sie konnte spüren, wie ihr Herz wie rasend klopfte angesichts der Folgen ihres Tun.
Falls er lachen sollte, wenn er hereinkam, oder sie verhöhnen, dann würde sie schreien, beschloss sie. Und es ihm überlassen, mit den Konsequenzen fertig zu werden. Sie hörte den Riegel am Fenster aufspringen, und ein kalter Luftzug blies in den Raum.
Dann hörte sie die Glocken, und die Priesterin hinter ihr holte zitternd Luft.
»Danke«, sagte Sharra und legte ihre Halskette auf den Tisch. »Ich gehe davon aus, dass dies dein Zeichen ist.«
»Eigentlich war es das Fenster«, vernahm sie Diarmuids Stimme.
Sie hatte ihren Dolch gezogen, noch ehe sie sich ganz nach ihm umgedreht hatte.
Er hatte die Kapuze abgestreift, stand da und betrachtete sie gelassen. »Erinnere dich, dass ich dir irgendwann davon erzähle, wie ich so etwas schon einmal gemacht habe. Es ist eine gute Geschichte. Ist dir aufgefallen«, fügte er im Plauderton hinzu, »wie groß manche dieser Priesterinnen sind? Ein Glück war das, sonst –«
»Bist du darauf aus, dir meinen Hass zuzuziehen?« sie schleuderte ihm die Worte entgegen, als seien sie ihr Dolch.
Er verstummte. »Niemals«, entgegnete er, wenn auch immer noch leichthin. »Es gibt für einen einzelnen Mann von draußen her keinen Zugang zu diesem Zimmer, und ich hatte mir in den Kopf gesetzt, niemanden hiervon in Kenntnis zu setzen. Ich hatte keine andere Möglichkeit, allein hierher zu kommen.«
»Was hat dich verleitet, anzunehmen, du könntest herkommen. Welche Vermessenheit –«
»Sharra. Hör auf mit diesem Ton. Ich habe gar nichts angenommen. Hättest du nicht das Fenster öffnen lassen, wäre ich mit dem Läuten der Glocken wieder gegangen.«
»Ich … .« Sie unterbrach sich. Es gab nichts zu erklären.
»Wärest du bereit, etwas für mich zu tun?« Er trat vor; instinktiv hob sie ihre Klinge, und hierauf lächelte er zum allerersten Mal. »ja«, sagte er, »du kannst zustechen. Aus nahe liegenden Gründen habe ich kein Blut geopfert, als ich hereinkam. Es ist mir nicht recht, mich zum Maidaladan hier aufzuhalten, ohne die Riten einzuhalten. Wenn Dana schon solchen Einfluss auf mich ausüben kann, wie sie es heute Abend tut, dann hat sie ein Sühneopfer verdient. Neben dir steht eine Schüssel.«
Und indem er die Ärmel seines Gewandes und des blauen Hemdes aufrollte, das er darunter trug, streckte er ihr das Handgelenk entgegen.
»Ich bin keine Priesterin«, wandte sie ein.
»Heute Abend, denke ich, sind alle Frauen Priesterinnen. Tu es mir zuliebe, Sharra.«
So kam es, dass ihr Dolch zum zweiten Mal in ihn eindrang, als sie nun sein Handgelenk ergriff und an der Unterseite einen langen Schnitt anbrachte. Das helle Blut quoll hervor, und sie fing es in der Schüssel auf. Er hatte ein Stück Spitze aus Seresh in der Tasche, und er reichte es ihr wortlos. Sie legte die Schüssel und das Messer beiseite und verband ihm die Schnittwunde.
»Zweimal nun«, flüsterte er und wiederholte damit ihren Gedanken. »Wird es ein drittes Mal geben?«
»Du forderst es heraus.«
Da entfernte er sich von ihr, zum Fenster hin. Sie befanden sich auf der Ostseite, und der Mond schien herein. Obendrein, wurde ihr klar, ging es draußen tief hinab, da der Boden steil von den glatten Tempelmauern abfiel. Er hielt mit den Händen locker das Fenstersims umfasst und stand da und blickte hinaus. Als er das Wort ergriff, geschah dies immer noch gelassen, wenn auch nicht leichthin. »Man muss mich nehmen, wie ich bin, Sharra. Ich werde mich niemals einer berechenbaren Haltung befleißigen.« Er sah sie an. »Sonst wäre ich jetzt Großkönig von Brennin, und Aileron wäre tot. Du warst
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