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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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gemeinsam in der Adria. Na, ist das ein Wort?«
    »Wenn du meinst, daß du mit einem Witz alles gutmachen kannst...«, schnupfte Frau Lobedanz, aber die Vorstellung, Frau Pütterich ertränkt zu sehen, schien sie doch umzustimmen, und sie begab sich ins Abteil zurück, wo Frau Pütterich Herrn Schnürchen gerade eine Semmel offerierte.
    »Greifen Sie nur zu, am besten zum Schinken. Ich beziehe ihn direkt aus Westfalen. Er kostet natürlich ein bißchen mehr, aber nichts ist mir schlimmer, als für mein gutes Geld schlechte Ware zu bekommen.«
    »Danke vielmals, aber ich habe vor zwei Stunden gegessen.«
    »Ich sehe schon, Herr Schnürchen, mit Ihnen hat man die gleiche Not wie mit meinem Pütterich. So was wie Hunger kannte der Mann einfach nicht, in den mußte man alles hineinstopfen. Dorchen, sagte er immer, am Zuwenigessen ist noch niemand gestorben, aber zu Tode gefressen hat sich schon mancher.«
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte Herr Schnürchen und erhob sich, »ich habe noch etwas beim Reiseleiter zu erledigen.«
    Otto Lobedanz öffnete ihm von außen die Tür, als er ihn kommen sah: »Brauchen Sie auch ein wenig Erholung?« fragte er mit einem kleinen Grinsen.
    »Ach, wissen Sie«, sagte Herr Schnürchen, »man muß die Menschen verbrauchen, wie Gott sie geschaffen hat. Ich fuhr einmal mit einem Reisenden der Süßwarenbranche von München nach Hamburg. Und von München-Laim bis Hamburg-Harburg las der Mann aus einem Notizbuch Witze vor. Das war eine echte Nervenprobe.«
    »Da mögen Sie recht haben«, murmelte Otto Lobedanz ein wenig beschämt, denn er spürte, daß er in der liebenswürdigsten Form zurechtgewiesen worden war.
    Herr Schnürchen zwinkerte ihm zu: »Übrigens gibt es ein hervorragendes Mittel, sich gegen Geräusche zu schützen: nicht hinhören. Dazu braucht man natürlich eine gewisse Übung.« Er nickte Otto Lobedanz zu und ging mit kleinen Schritten davon.

IV

    Hinter München sammelte der Page Erich die Personalausweise ein. Der Tag ging seinem Ende entgegen. Frau Pütterich döste in ihrer Ecke, Herr Schnürchen studierte seinen Baedeker, Frau Lobedanz blätterte in einer Illustrierten, Herr von Berg las seine Sportzeitung, Otto Lobedanz starrte in die Voralpenlandschaft, und Fräulein Sonntag beschäftigte sich mit einem Kreuzworträtsel. Es schien darin eine Menge Schwierigkeiten zu geben, und ihr Blick irrte zu Otto Lobedanz hinüber.
    »Darf ich Ihnen helfen?« fragte er zögernd.
    »Ich fürchte, da hilft nur ein Lexikon...«
    »Was brauchen Sie denn?«
    »Den Helden eines Schäferromans mit sieben Buchstaben, in der Mitte habe ich ein A und ein D...«
    Herr von Berg ließ die Zeitung sinken: »Held eines Schäferromans?« murmelte er, »nee, da bin ich überfragt.«
    »Seladon«, sagte Otto Lobedanz.
    »Richtig!« rief Fräulein Sonntag und malte die fehlenden Buchstaben in die Felder. »Und jetzt nennen Sie mir noch eine afrikanische Hauptstadt, in der AIRO vorkommt, aber Kairo ist es nicht.«
    »Dann kann es nur Nairobi sein.«
    »Wahrhaftig, es ist Nairobi! Und wenn Sie auch noch wissen, wie der Sohn von Hektor und Andromache heißt, dann sind Sie ein Genie.«
    »Astyanax...«, antwortete Otto Lobedanz mit einem Ausdruck, als sei es ihm unsäglich peinlich, womöglich als Bildungsprotz angesehen zu werden.
    »Respekt!« rief Fräulein Sonntag, »Sie sind ja das reine lebende Lexikon!«
    »Das ist mein Otto wirklich«, rief Frau Lobedanz stolz, »den können Sie fragen, was Sie wollen, der weiß einfach alles.«
    »Hör doch auf, Mama«, murmelte er und errötete bis unter die Haarwurzeln, »ich lese ziemlich viel und ich habe ein gutes Gedächtnis, das ist alles.«
    »Ich lese leidenschaftlich gern«, sagte Fräulein Sonntag, »aber mein Gedächtnis ist wie ein Sieb. Sie müßten sich direkt mal zu einem Quiz im Fernsehen melden.«
    Otto Lobedanz sah seiner Mutter an, daß sie in ihrem Stolz drauf und dran war, das Geheimnis dieser Reise zu lüften. Er trat ihr warnend auf den Fuß: »Um Himmels willen«, sagte er hastig, »nur das nicht. Ich würde vor lauter Befangenheit kein Wort herausbringen.«
    Frau Pütterich rührte sich in ihrer Ecke, sie gähnte zierlich und schlug sich dabei mit den Fingerspitzen der flachen Hand rasch hintereinander auf das runde Mündchen: »Hören Sie mir bloß mit der Bildung auf, das ist doch nur ein bißchen Verzierung, dafür kann man sich nicht mal ein Pfund Kartoffeln kaufen.«
    »Sie gehen doch auch mal ins Theater, oder Sie lesen doch

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