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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Reiseproviant einzukaufen.
    »Er ist ein richtiger Kavalier«, meinte Frau Lobedanz. »Trotzdem bin ich froh, Ottochen, daß du kein Künstler bist. Das fiedelt, solange der Sommer währt, wie eine Grille dahin, und verschwendet keinen Gedanken an den kalten Winter...«
    »Aber Mama, unserm Herrn Schnürchen scheint es doch nicht gerade schlecht zu gehen...«
    »Sieh ihn dir doch an, der Mann spart sich seine Urlaubsreise vom Munde ab. Das sollte mir einfallen!«
    »Zu solch einem Beruf gehört eben nicht nur Talent, sondern auch Mut«, meinte Fräulein Sonntag, »und ich glaube, wenn ich irgendein Talent hätte, würde mir der Mut nicht fehlen.«
    »Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, rief Otto Lobedanz. »Der Mann hat etwas vom Leben gehabt und ist in der Welt herumgekommen. Und was hat unsereiner? Da steht man nun Tag für Tag und Jahr um Jahr am Zeichenbrett...«
    »... oder an der Buchungsmaschine...«
    »und verdirbt sich die Augen...«
    »und klopft sich die Finger an der Schreibmaschine platt!«
    »Ich weiß nicht, was du auf einmal hast, Otto!«
    »Ich habe drei Wochen Urlaub, Frau Lobedanz«, sagte er schwermütig, »und mir wird schon jetzt schlecht, wenn ich an die Gesichter der Herren Klampmann und Spiller denke.«
    »Sie sollten meinen Chef kennen!« sagte Fräulein Sonntag grimmig, »und vor allem die Söhne! Das sind vielleicht fiese Kadetten! Besonders der jüngste, der gerade in den Betrieb eingetreten ist. Was der Bengel sich denkt...!«
    »Ich ahne es!« murmelte Otto Lobedanz.
    »Was ahnst du, Otto?« fragte Frau Lobedanz, die das Gespräch nur zum Teil mitbekommen hatte.
    »Daß der Chef von Fräulein Sonntag der gleiche Knicker ist wie mein Spiller...« Er spürte, daß Fräulein Sonntag ihn leicht mit dem Ellenbogen anstieß und ihn anzwinkerte, und das verwirrte ihn so sehr, daß er beinahe über seine eigenen Füße gestolpert wäre.
    »Sollten wir nicht auf Herrn von Berg und die anderen warten?« fragte Frau Lobedanz.
    »Der findet seinen Weg schon allein, Frau Lobedanz.«
    »Ein wirklich eleganter Mensch!« stellte Frau Lobedanz fest, »und fabelhafte Manieren. Da merkt man doch gleich den guten Stall.«
    »Ich halte ihn für einen Angeber«, sagte Fräulein Sonntag kühl.
    »Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, Herrn von Berg einen Angeber zu nennen, Fräulein«, sagte Frau Lobedanz verweisend.
    »Ach, Frau Lobedanz, das ist jetzt meine vierte Feriale-Reise...«
    »Das erwähnten Sie bereits öfters«, bemerkte Frau Lobedanz spitz, aber wenn Fräulein Sonntag von der Spitze auch etwas spüren mochte, so tat sie doch, als merke sie nichts.
    »...und was man da erlebt, darüber könnte man einen Roman schreiben. Ich weiß selber nicht, woran es liegt, aber unterwegs gibt jeder an, als geniere er sich, das zu sein, was er nun einmal ist. Vergangenes Jahr lernte ich in Cattolica einen flotten Hotelier kennen. Und was war er? Kellner in einem Frankfurter Bierlokal. Und vor zwei Jahren in Finale Ligure versuchte ein Doktor der Chirurgie bei mir zu landen. Der hätte mich am liebsten gleich am Blinddarm operiert. Nun, Arztfrau zu werden hätte mich fast gereizt. Ich ließ mich ein Telefongespräch ans Einwohnermeldeamt in Nürnberg fünfzehn Mark kosten. Nun, und was meinen Sie, was mein Verehrer war?«
    Frau Lobedanz hob ein wenig verlegen die Schultern, denn sie spürte den langen Blick, mit dem ihr Sohn sie an die Rolle der Postratswitwe erinnerte, die sie so gern gespielt hätte. —
    »Hühneraugenoperateur!« sagte Fräulein Sonntag.

    Im Feriale-Expreß waren die Liegen aufgeschlagen, drei an jeder Seite des Abteils. Bald, nachdem Otto Lobedanz mit den beiden Damen in den Zug geklettert war, fanden sich auch die anderen ein, Herr Schnürchen mit Orangen und Bananen, Frau Pütterich mit sechs Riesentafeln Vollmilchschokolade, und Herr von Berg mit einer Stange amerikanischer Zigaretten, mit denen er acht Tage lang auszukommen hoffte.
    Frau Pütterich warf einen mißtrauischen Blick in das Abteil: »Ach, du liebe Güte«, seufzte sie, »das erinnert mich direkt an die Schlafkammer der guten Frau Muschelknauz. Da standen die Betten auch dreietagig an den Wänden...«
    »Ich schlage vor«, sagte Herr Schnürchen, »die Damen Pütterich und Lobedanz nehmen die unteren Liegen, Fräulein Sonntag und ich machen es uns in der Mittellage bequem, und die beiden jungen Herren genießen die Höhenluft. Einverstanden?«
    Alle waren mit diesem Vorschlag zufrieden. Herr Schnürchen legte seine Orangen

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