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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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auch einmal ein Buch...«, warf Fräulein Sonntag ein.
    »Mein liebes Fräulein«, sagte Frau Pütterich sehr von oben herab, »ich erlebe meine Tragödien und Romane unterwegs mit der Kundschaft. Und wenn ich abends heimkomme, dann gehe ich noch mein Auftragsbuch durch, und das ist für mich die interessanteste Lektüre von der Welt. Und wenn ich darin einen Auftrag über fünf Mille finde, dann ist das die höchste Bildung!«
    Herr Schnürchen schob die Lesebrille auf die Stirn und sah Frau Pütterich starr an.
    »Was ist? Habe ich etwas im Gesicht?«
    »Sie sind wirklich eine bemerkenswerte Frau«, sagte er todernst. »Ihnen hätte ich früher begegnen müssen, dann wäre ich wahrscheinlich zu etwas gekommen. Aber ich habe mein Leben mit Büchern und Noten vertrödelt. Die Reue kommt zu spät.« Er machte dabei solch ein bekümmertes Gesicht, daß niemand wußte, ob er es ernst meinte. Nur Fräulein Sonntag kicherte vor sich hin.
    »Ist es vielleicht nicht so?« fragte Frau Pütterich und sah sich herausfordernd um, »die Welt dreht sich ums Geld, oder, wie der selige Pütterich immer in seiner witzigen Art sagte: Wo du nicht bist, Herr Organist, da schweigen alle Flöten«, und sie rieb den Daumen gegen den Zeigefinger.
    »Hm...«, machte Herr Schnürchen, der sich mit den Flöten persönlich betroffen fühlen mochte.
    Auf den Wangen von Frau Lobedanz blühten plötzlich rosenrote Flecken auf, in ihren Augen schimmerte es verdächtig feucht, und ihre Stimme zitterte vor Erregung: »Geld, Geld und immer nur Geld!« rief sie laut und empört. »Es gibt etwas Höheres als Geld! Aber davon will ich gar nicht reden. Ich will nur sagen, daß es etwas Besseres gibt als Geldverdienen!«
    Otto Lobedanz duckte sich. Um Himmels willen, wollte sie sich zur Verteidigerin von Gott, Ehre, Freiheit, Vaterland, Familienglück und Tugend aufschwingen? Auch die anderen schwiegen betroffen. Ein Zusammenstoß der Damen schien in der Luft zu liegen. Nur Frau Pütterich beugte sich vor.
    »Na, was denn?« fragte sie interessiert.
    »Geld mit Verstand ausgeben, Frau Pütterich!« antwortete! Frau Lobedanz. »Mit Verstand, sage ich! Und dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob man ein bißchen mehr oder ein bißchen weniger besitzt. Denn Reichtum, ach, du liebe Güte, verehrte Frau Pütterich, Reichtum braucht keine Angabe, und was richtiger Reichtum ist, davon sind wir alle, wie wir hier sitzen, doch himmelweit entfernt.«
    Herr von Berg klatschte in die Hände, Fräulein Sonntag rief bravo, und Herr Schnürchen sagte laut und vernehmlich: »Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen, Frau Lobedanz.«
    »Und wenn der Kassensturz am Abend alles ist, was Sie vom Leben haben, Frau Pütterich«, fuhr Frau Lobedanz ermutigt fort, »dann möchte ich mit Ihnen nicht tauschen, nein, nie im Leben!« I
    Das ganze Abteil gönnte der Dicken die kleine Abreibung, und während Frau Pütterich ein wenig verstört murmelte, daß man sie mißverstanden habe, ertönte aus dem Lautsprecher die Stimme des Reiseleiters: der Zug laufe in wenigen Minuten in Innsbruck ein und habe dort eine Stunde Aufenthalt...
    »Eine Stunde«, meinte Herr von Berg, »da hätte man ja Zeit genug, um ein Bierchen zu zwitschern. Machen Sie mit, Herr Lobedanz?«
    »Ich bin dabei.«
    »Und Sie, Fräulein Sonntag?« fragte Herr von Berg.
    »Ich auch, wenn Sie mich mitnehmen.«
    »Wir sollten es den jungen Leuten nachmachen, meine Damen«, sagte Herr Schnürchen zwinkernd, »und in meinem Alter darf ich es mir wohl erlauben, ohne aufdringlich zu erscheinen, Sie zu einem Glas Tiroler Spezial einzuladen. Ein besseres Schlafmittel als ein Glas Rotwein gibt es nicht, und ich fürchte, diese Polster werden die Nacht recht lang werden lassen.«
    »Da mögen Sie recht haben, Herr Schnürchen«, seufzte Frau Pütterich, »mir wird schon jetzt himmelangst, wenn ich an die Nacht denke. Aber wie sagte mein Pütterich immer, wenn ich mich über die Hotelbetten beklagte: Dorchen, wer es gut haben will, muß zu Hause bleiben.«
    »Und Sie werden mir doch keinen Korb geben, Frau Lobedanz?«
    »Aber gewiß nicht, Herr Schnürchen«, antwortete sie errötend und griff nach ihrer Handtasche.
    Auch aus den anderen Abteilen drängten sich die Feriale-Reisenden auf den Gang hinaus. Der Zug ratterte über Weichen, lief an hellerleuchteten Stellwerkhäusern vorbei und rollte bald im Innsbrucker Hauptbahnhof ein. Kurz darauf drängten sich zweihundert oder noch mehr Teilnehmer der Gesellschaftsreise in das

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