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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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jetzt meine schärfste Konkurrenz. Und das einer armen, hilflosen Witwe!«
    »Unerhört!« rief Herr Schnürchen, als könne er es nicht fassen, daß es soviel Schlechtigkeit auf der Welt gäbe.
    »Ja«, seufzte Frau Pütterich, »der Mensch ist ohne seine bessere Hälfte eben nur eine halbe Portion, wie mein Pütterich zu sagen pflegte.«
    Draußen auf dem Gang verließ Fräulein Sonntag die beiden Herren, um einen kleinen Erkundungsgang durch den Zug zu machen. Er rollte gerade über die Weichen eines Bahnhofs und schlingerte so stark, daß sie sich rechts und links abstützen mußte, um nicht die Balance zu verlieren. Ihre Bewegungen und die wechselnde Stellung ihrer Füße in den flachen Korksandaletten, die sich kreuzten und dann ein paar Schritte lang schleiften, wirkten, als führe sie ein unsichtbarer Partner in komplizierten Figuren über ein Tanzparkett.
    »Ausgesprochen schnittiges Fahrgestell!« bemerkte Herr von Berg sachkundig.
    »Sie müssen es ja wissen«, grinste Otto Lobedanz. »Sie erwähnten doch Fräulein Sonntag gegenüber, daß Sie etwas mit Autos zu tun haben...«
    »Ach so, ja, ich bin Testingenieur. Und Sie, wenn man fragen darf?«
    »Ich bin Konstruktionszeichner im Stahlbau, hauptsächlich für Brücken, Hebewerke und Hochleistungskräne, na ja —, aber daß auch Sie sich in einem Beruf herumplagen müssen...«
    »Ich verstehe Sie nicht...«
    »Mit so einem Namen...«, stotterte Otto Lobedanz.
    »Ach, du liebe Jüte! Sie meinen die kleine Verzierung vor dem Berg. Ach, wissen Sie, wir Bergs waren niemals reich, immer nur . maßlos begütert — aber leider in der falschen Jejend«, und er schleuderte den Daumen über die Schulter, wo jenseits von Elbe j und Oder die Rittergüter derer von Berg in Schutt und Asche gesunken waren.
    »Oh, das tut mir leid...«
    »Was meinen Sie, wie das mir leid tut!« grinste Herr von Berg, »aber ich werde mich jetzt mal ein wenig in den Jagdgründen um-; sehen.« Er zwinkerte Otto Lobedanz zu und ging davon. Herr von Berg schien ein Schwerenöter zu sein.
    Otto Lobedanz hörte, daß die Abteiltür hinter ihm geöffnet wurde, und drehte sich um: »Ach, du bist es, Mama...«
    Seine Mutter schielte zur Notbremse empor. Ihre Augenlider flatterten wie bei einer leichten Gehirnerschütterung: »Das halte ich nicht aus, Otto!« ächzte sie, »diese Frau ist mein Tod! Du wirst mir ein anderes Abteil suchen oder ich springe aus dem Fenster!«
    Er sah sie düster an: »Auf Wiedersehen im Himmel, Mama!«;; sagte er und hängte sein ganzes Gewicht an beide Griffe und drückte das Fenster mit einem Ruck herunter. Der scharfe Fahrtwind zerrte seine Krawatte heraus und ließ sie nach hinten flattern.
    »Bist du verrückt, Otto?!« fuhr sie ihn an.
    »Ich kann dir kein anderes Abteil und ich kann dir auch keine anderen Fahrgäste heraussuchen!« sagte er böse. »Wenn dir diese Reise nicht paßt, dann wird dir nichts anderes übrigbleiben, als beim nächsten Aufenthalt auszusteigen und heimzufahren.«
    »Otto!« rief Frau Lobedanz fassungslos, »wie redest du mit mir? Was fällt dir ein?«
    »Hör mir gut zu, Mama«, sagte er leise und scharf, »ich hatte die Chance, nach Mallorca zu fliegen. Du hast sie mir vermasselt. Du wolltest nach Rimini. Jetzt sind wir auf dem Wege dorthin. Ich versuche noch immer, mich auf Italien zu freuen. Aber eins ¡
    schwöre ich dir: wenn du mich weiter mit Wünschen löcherst, die unerfüllbar sind, dann steige ich aus, und wir verbringen den Urlaub auf dem Küchenbalkon, wo wir ihn jedes Jahr verbracht haben. Das ist mein voller Ernst!«
    Frau Lobedanz sah ihren Sohn an, als erblicke sie ihn zum erstenmal: »Aber Otto, so kenne ich dich ja gar nicht!«
    »So?« knurrte er, »dann wird es aber höchste Zeit, daß du mich kennenlernst! Und daß du endlich merkst, daß ich nicht acht Jahre alt bin, sondern achtundzwanzig!«
    Er schob das Fenster mit der gleichen Vehemenz herauf, mit der er es heruntergerissen hatte, und die wehende Krawatte fiel ihm schlaff auf die Schulter.
    »Das müßte dein Vater hören, wie du mich behandelst«, sagte sie mit einem trockenen Schluchzen.
    Er hatte das deutliche Gefühl, sein Vater stände hinter ihm und klopfe ihm auf die Schulter.
    »Glaubst denn du«, fragte er versöhnlicher, »mir geht die Witwe des seligen Pütterich nicht auf die Nerven? Nimm’s mit Humor, die Fahrt dauert ja nicht ewig, und wenn wir erst in Rimini sind, und die Dicke fällt uns noch immer auf den Wecker, dann ersäufen wir sie

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