Das war eine schöne Reise
mir von Weibern schon habe einbrocken lassen... Na ja, Schwamm darüber!«
»Und jetzt sind Sie natürlich pleite, wie?«
»Was heißt pleite? Gibt’s noch ‘ne Steigerungsmöglichkeit? Pleiter — am pleitesten...«
»Hören Sie«, sagte Otto Lobedanz, »ich habe mir ein paar Kröten eingesteckt, von denen Muttern nix weiß. Wenn ich Ihnen einen Fünfzigerstutzen anbieten darf...«
»Sie sind ein feiner Kerl, Lobedanz, aber lassen Sie die Brieftasche stecken. Ich komme auf Ihr Angebot später zurück. Bis ich mich mit meiner verhauenen Visage wieder unter den Leuten sehen lassen kann, werden ein paar Tage vergehen.«
»Das haben Sie nötig gehabt...!«
»Vielleicht hab’ ich’s nötig gehabt«, sagte Herr von Berg und wollte grinsen, aber er ließ es stöhnend bleiben, denn in dem zerschundenen Gesicht tat ihm jeder Muskel weh. »Sogar die Uhr haben die Schweinehunde geklaut!« murmelte er, »und das macht mich verrückt...«
»War es so ein gutes Stück?«
»Ach, ganz abgesehen davon, daß es eine Automatic war — aber mir steht in dieser verdammten Bude die Zeit still. Irgendwo höre ich eine Turmuhr, aber die muß meschugge sein, denn als es zwölf war, schlug sie fünf...«
»Da haben Sie doch eine ganz schöne Rechenaufgabe«, grinste Otto Lobedanz und schnallte seine Armbanduhr ab, »nehmen Sie derweil die, Herr von Berg, hat nur achtzehnfuffzig gekostet, aber Sie können sie an die Wand schmeißen, und sie bewegt sich doch.«
»Wollen Sie sie mir wirklich dalassen?«
»Zum Spaß habe ich sie doch nicht abgenommen... «
»Und Sie selber?«
»An jeder Straßenecke steht eine Normaluhr...«
»Danke, Herr Lobedanz, jetzt möchte ich Ihnen die Hand schütteln — wenn ich könnte!« Und er hob seine verpflasterten Fäuste zu einer Geste des Dankes.
»Kann ich Ihnen sonst noch was besorgen?« fragte Otto Lobedanz und erhob sich.
»Irgendwas zum Lesen, und wenn’s ein Märchenbuch ist. Mir fällt allmählich die Decke auf den Kopf.«
»Gut, ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. Ich komme abends wieder. Bis dahin...« Und er hob die Hand zum Gruß.
»Auf Wiedersehen, Herr Lobedanz, und vielen Dank! Und einen schönen Gruß an Fräulein Sonntag.«
Otto Lobedanz drehte sich um und sah ihn schief an: »Das hätten Sie sich ersparen können!« knurrte er.
»Na, na, nicht gleich so ungemütlich...Ich bin bei der Dame schwer daneben gelandet.«
»Das habe ich gehört«, sagte Otto Lobedanz und zog Tür und Läden hinter sich zu. Er schaute über die Galerie, auf deren breitem Abschlußsockel ein paar Tonschalen mit Geranien standen, in den Garten hinunter. Das ganze Haus schlief, nur aus den Küchenräumen kam das Geräusch klappernden Geschirrs. Als er an Sonnys Zimmer vorbeiging, bewegte sich der Laden, er vernahm ein leises Pssst und trat näher an die Tür heran...
»Du warst aber lange bei ihm drin...«, hörte er Sonny flüstern. Er warf einen Blick auf seine Uhr — und ließ den Ärmel über das leere Handgelenk zurückfallen. Er vergaß dabei, daß Sonny Sonntag ihn durch die schrägen Lüftungsbretter der Läden beobachten konnte. »Wo hast du deine Uhr, Ottle?«
»Ich habe sie ihm gegeben«, flüsterte er zurück, »seine ist ihm doch gestohlen worden...«
Sie öffnete den Laden, der in seinen Angeln ein wenig knarrte, so weit, daß ein Mensch mit schlanker Statur gerade hindurchschlüpfen konnte: »Komm schon«, flüsterte sie, »das mußt du mir erzählen. Oder willst du lieber Siesta halten?«
Er schaute nach rechts, er schaute nach links, er lauschte nach unten und er lauschte nach oben. Nichts rührte sich. Und er drückte sich flach und atemlos in ihr Zimmer hinein.
»Nein«, flüsterte sie, »du sollst mich nicht küssen, sondern du sollst mir erzählen...oder zuerst erzählen...«
Zweimal läutete Herr Schnürchen die Posta Centrale von Rimini vergeblich an. Erst am dritten Tag erfuhr er, daß ein Telegramm
für ihn bereitläge. Er hatte die Post von der Villa Annabella aus angerufen. Es war zehn Uhr morgens, ein Tag, dessen schmelzende Hitze nur die Nähe des Meeres erträglich machte. Herr Schnürchen ließ ein Taxi zum Hotel kommen. Die Gäste der Villa Annabella waren am Strand, mit einziger Ausnahme des jungen Herrn von Berg, der im Schatten der Galerie auf einem Liegestuhl in Illustrierten blätterte. Sein Gesicht begann wieder Menschenähnlichkeit anzunehmen.
Herr Schnürchen machte recht enttäuschte Augen, als er das Telegramm auf der Post öffnete. Herr
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