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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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kann. Branchenkenner und Rating-Agenturen sehen erhebliche Ausfallrisiken.
    Endlich. Die Investoren begannen zu zweifeln. Fragten sich, was passierte, wenn mehr Hauskäufer als erwartet ihre Kredite nicht zurückzahlen konnten. HomeStar hatte sich zwar abgesichert, die Kredite an Investoren, Banken und Hedgefonds weiterverkauft, die diese meistens auch sofort weiterverkauft hatten. Aber was, wenn das ganze System irgendwann nicht mehr funktionierte?
    Es könnte so kommen wie in dem Disney-Comic, den jemand mal an die Wand hinter dem Wasserspender gehängt hatte: Tick, Trick und Track bieten auf einem Flohmarkt Limonade an. Tick hat einen Taler, kauft ein Glas, trinkt es. Zahlt den Taler an Trick. Der kauft damit ein Glas, trinkt es. Zahlt an Track. Auch der kauft ein Glas und zahlt mit dem Taler. So verkaufen die Drei sich reihum mit demselben Taler immer wieder neue Limonade. Als alle Flaschen leer sind, glauben Tick, Trick und Track, dass sie viel Geld verdient haben - schließlich haben sie ja jedes Glas Limonade verkauft. Als sie feststellen, dass in ihrer Kasse nur ein Taler ist, fallen sie aus allen Wolken. So könnten auch die Hypothekenbanken eines Tages feststellen, dass sie sich nur reichgerechnet und in Wirklichkeit immer nur denselben kleinen Wert von einem zum anderen geschoben hatten.
    Allmählich drehten alle Bankwerte ins Minus. Das war die Chance. Wenn ich Meike heute Abend traf, konnte ich alle Verluste los sein. Müsste nicht mehr so tun, als hätte ich alles im Griff - dann wäre es wirklich so! Endlich zahlte sich aus, dass ich in den letzten Tagen immer mehr riskiert hatte. Cool geblieben war. Nur noch einmal den Einsatz erhöhen. Ein letztes Mal. Und diesmal nicht nur verdoppeln. Am besten verdreifachen. Alles darauf setzen, dass HomeStar nun fiel, endlich fiel. Ich tat alles, was ging. Das Telefon, die Stimmen aus der Squawk-Box - alles schien immer lauter zu werden, je länger ich mich nicht darum kümmerte. Doch ich hatte keine Zeit dafür. Ich verdreifachte meinen Einsatz. Vervierfachte? Egal, bald war ich alle Probleme los.
    Und HomeStar fiel. Erst nur wenig, doch im Nu war es ein halbes Prozent. Ich kaufte alle Verkaufsoptionen, die ich finden konnte. Verkaufte sogar Aktien auf HomeStar, die ich überhaupt nicht hatte, in der Hoffnung, sie später billiger zurückzubekommen - Leerverkäufe. Bis jetzt hatte ich das immer vermieden, weil dafür Margin-Zahlungen fällig wurden, Geld, das ich bei der Börse hinterlegen musste für den Fall, dass ich mich verspekulierte. Doch wenn HomeStar weiter fiel, müsste ich sie nur ein, zwei Stunden halten. Jetzt bloß nicht zögern. Je mehr ich investierte, desto größer war die Chance, dass bis heute Abend alles in Ordnung war.
    HomeStar fiel weiter. Minus 0,7 Prozent. Ich rollte mit dem Stuhl vor und zurück und starrte auf den Chart. Ein paar Minuten später stagnierte der Kurs. Um halb fünf bewegte er sich gar nicht mehr. Auch um fünf, um halb sechs: nichts. Ich musste los, ins Palmenhaus, doch eigentlich konnte ich so nicht gehen. Vielleicht kam im nachbörslichen Handel noch mal Bewegung in den Markt. Ich griff zu meinem Handy, um Meike abzusagen, damit ich den ganzen Abend hier sitzen und auf den Kurs von HomeStar starren konnte. Sah die SMS mit dem Smiley, die Meike mir vorhin geschickt hatte. Legte das Handy wieder weg. Was konnte heute Abend schon passieren? Ich sollte Meike treffen. Früh ins Bett gehen. Morgen wieder hier sein, sobald die Märkte aufmachten. Keine Minute später. Bis dahin musste ich Geduld haben.
    Mit Mühe schaffte ich es, die Bank zu verlassen, ohne zu rennen. Erst als die Drehtür von Rutherford & Gold außer Sicht war, wurde ich schneller, lief über die Straße, immer schneller auf Zick-Zack-Kurs durch das Straßengitter Richtung Norden.
    Noch immer sah ich den Chart von HomeStar vor meinem inneren Auge, den Kurs, blinkend, in Rot. All das musste ich jetzt vergessen. Durfte Meike nichts von der Arbeit erzählen. Nur von Henry LaMarck. Wie er im Caribou plötzlich vor mir gestanden hatte, viel zu schick gekleidet, wie er die Fingerspitzen mit der Zunge befeuchtete, bevor er im Wall Street Journal blätterte wie in einem Modemagazin ... In diesem Moment saß er wahrscheinlich im Caribou und ärgerte sich. Einen rasenden Moment lang überlegte ich, umzukehren und in ein Taxi zu springen. Der berufliche Termin hatte Priorität. Aber ich konnte es nicht. Lief weiter Richtung Palmenhaus, dachte an Henry LaMarck, dann nur

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