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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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durchzuarbeiten, hätte ich wissen müssen, dass ich mich heillos vertranst hatte. Verzettelt, wie ich nun dachte, als ich die Papierflut in meinem Arbeitszimmer betrachtete.
    Aber wirklich klar wurde mir das erst, nachdem der Brief von der Urbanski gekommen war. Fünf Seiten mit meinen Fehlern. Geantwortet hatte ich ihr natürlich nicht; ich hätte das gerne als Frechheit abgetan, doch sie hatte in fast allen Fällen recht. Und einen neuen Roman zu schreiben, hätte bedeutet, neue Fehler zu machen.
    Wenige Tage nach dem Brief hatte ich beim Verlassen meines Arbeitszimmers die Tür aus Versehen etwas zu kräftig zugezogen. Ich hörte noch, wie drinnen ein Bücherstapel ins Rutschen kam und direkt vor die Tür fiel. Mein Roman hatte mich ausgesperrt. Natürlich hatte er das nicht ernsthaft getan, mit etwas Kraft hätte ich die Tür aufbekommen können, genau wie vorhin, doch ich hatte es vorgezogen, einen ins Rutschen geratenen Bücherstapel zum Anlass zu nehmen, um mein Arbeitszimmer nicht mehr zu betreten. Bis jetzt.
    Mit ganzer Kraft drückte ich gegen die Tür des Schränkchens, in dem ich meine Bankunterlagen aufbewahrt hatte, versuchte wieder und wieder, es zu schließen, aber das brachte nichts, einmal abgesehen davon, dass die Bücherstapel auf dem Schränkchen ins Wanken kamen. Ein Buch über den Islam traf mich am Kopf. Ich sprang auf und hätte fast gegen das Schränkchen getreten, doch dann blieb ich einfach stehen, sah auf den Brief der Urbanski am Boden, die Mappe in meiner Hand. Meinem Treffen mit Jasper stand nun nichts mehr im Weg. Und dann würde ich ein Buch schreiben, an dem selbst diese Urbanski nichts auszusetzen hätte.
    Ohne die anderen Zimmer auch nur betreten zu haben, verließ ich meine Wohnung, zog die Tür zu, wollte sie, jahrzehntelanger Gewohnheit gehorchend, abschließen, als ich feststellte, dass ich den Schlüssel drinnen vergessen hatte. Egal.
    Unten bat ich Edgar, mir ein Taxi zu rufen. Er schaltete das Blinklicht an, das über dem Eingang aufleuchtete. Nur Sekunden später hielt ein weißer Ford mit einem grünen Streifen, ich stieg ein und sagte »LaSalle Ecke Lake«.
    Die Sonne ging langsam unter, als sich das Taxi durch den dichten Verkehr auf dem Wacker Drive schob. Ganz Chicago schien unterwegs zu sein, es war halb sechs, und der Schnee, der den ganzen Tag gefallen war, wurde langsam weniger.
    Im Caribou musste ich nur wenige Minuten warten, dann sah ich, wie Jasper das Gebäude von Rutherford & Gold verließ. Er kam absolut pünktlich. Als er die Straße überquerte, stand ich auf. Nun wird alles gut, gleich würde er mich sehen, mich begrüßen, ich würde lächeln, wir würden Kaffee trinken.
    Nur, dass er das Caribou nicht betrat. Er ging auf der LaSalle Street Richtung Norden. Ich eilte hinaus, folgte ihm, die Straße entlang, rechts um die Ecke, links um die Ecke, die Michigan Avenue hinauf, über den Fluss, weiter auf der Magnificent Mile, nach Norden, Richtung Lincoln Park. Er lief schnell, blieb aber immer wieder stehen, um in Schaufenstern sein Spiegelbild zu betrachten, sich die letzten verirrten Schneeflocken, die noch fielen, vorsichtig aus den Haaren zu streichen, an seinem Kragen zu zupfen. Manchmal drehte er sich sogar um, tat ein paar Schritte zurück, was jedes Mal die lächerliche Hoffnung in mir aufsteigen ließ, er habe unsere Verabredung nur vergessen und jetzt wäre sie ihm eingefallen. Doch jedes Mal hielt er inne, dann lief er weiter Richtung Lincoln Park und ich ihm hinterher. Ich beobachtete ihn dabei, wie er mich versetzte.
    Ich folgte ihm über die ausgestorbenen Softballplätze hinweg. Er ging an dem See vorbei, auf dem im Sommer Liebespaare in Schwanentretbooten fuhren, und in den Tierpark. Versetzte er mich für einen Zoobesuch? Doch er würdigte die Tiere keines Blickes, durchquerte den Zoo ohne anzuhalten, verließ ihn am Nordende ebenso zielstrebig, wie er ihn am Südeingang betreten hatte und ging Richtung Palmenhaus. Um Gottes willen. Das konnte doch kein Zufall sein. Genau dort im tropischen Palmenhaus sitzt Graham Santos, der Held aus Unterm Ahorn, und erzählt die Geschichte seiner aneinander vorbeigehenden Eltern. Jaspers Lieblingsbuch. Hatte ich ihn durch unser Gespräch so sehr zum Nachdenken gebracht, dass er sich nun den Ort ansehen wollte?
    Im Palmenhaus nahm er den rechten Rundweg, der nicht durch die Farn-Abteilung führte, sondern am Goldfischteich vorbei direkt zu der langen, dürren Manila-Palme und der Graham-Santos-Bank. Nun

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