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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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noch an Meike.
    Die Manila-Palme war die dünnste Palme, die ich je gesehen hatte. Kümmerlich. Wie in Unterm Ahorn beschrieben. Auch die Bank hatte die gleiche Farbe wie im Roman, ein helles Braun. In mitten dieser feuchten Tropenwelt, die seit fast hundert Jahren durch eine Glas-Eisen-Konstruktion vom Klima Chicagos abgeschottet war. Hier war es immer gleich. Immer warm. Unglaublich grün.
    Ich setzte mich. Hörte Schritte, nahm Haltung an, doch sie war es nicht. Sank wieder in mir zusammen. Versuchte, gegen die Magenschmerzen anzuatmen. Dann kam sie. Aus der Nachbarhalle mit den Farnen. In der feuchten Wärme hatte sie den Mantel ausgezogen. Trug einen braunen Pullunder und darunter eine Bluse. Mir fiel auf, dass ich sie zum ersten Mal ohne Mantel sah.
    »Schön, dass du dir Zeit genommen hast«, sagte ich.
    »Kein Problem.«
    »Ich komme oft hierher«, sagte ich. »Palmen«, sagte sie.
    »Rat mal, wen ich getroffen habe?« »Wen denn?«
    »Na, rat mal«, sagte ich. Da sie sich nicht setzte, stand ich auf.
    Wollte ihr direkt in die Augen sehen, doch sie sah mich nur kurz an und blickte dann an mir vorbei. Richtung Eingang.
    »Nun rat doch mal«, sagte ich. Eilig holte ich Unterm Ahorn raus, doch sie bemerkte es nicht.
    »Ich habe hier was für dich«, konnte ich noch sagen, doch in dem Moment sagte sie» Äh« und rannte weg.
    HENRY
    Ich sah an dem Hochhausturm empor, in dem ich seit dreißig Jahren lebte. Es war eines der berühmtesten Gebäude von Chicago, die Grundfläche war rund und die Fassade so vollständig von Balkonen bedeckt, dass es mich immer an einen Maiskolben erinnerte.
    Der Portier in der bordeauxroten Uniform mit der schwarzen Mütze sah auf, als ich sagte:
    »Schön, Sie zu sehen, Edgar.« »Waren Sie verreist, Mr. LaMarck?«
    »Hat jemand eine Nachricht hinterlassen?«, fragte ich. »Nein.«
    Ich steckte den Schlüssel in das Schloss meiner Wohnungstür, schloss auf, dann schloss ich wieder zu. Eigentlich wollte ich diese Wohnung nie wieder betreten, doch nun hatte ich einen guten Grund, den besten Grund, den man sich denken konnte, denn heute Abend traf ich Jasper und war bereit, alles zu tun, damit unser Treffen ein Erfolg würde.
    Ich schloss wieder auf und ging durch den Flur, sechs langsame Schritte, ins Wohnzimmer. In der Mitte des Raumes blieb ich stehen und blickte auf die beiden in großen Abständen vor dem Seeblick stehenden Arne-Jacobsen-Sessel, zwischen denen ein Coffee-Table stand, darauf der Bildband Paris Interiors. Hinter den Panoramafenstern, weit unten, sah man die verschneite Uferpromenade und den See, an dessen Ufer Eisschollen lagen. Eigentlich ganz schön hier.
    Rechts befand sich die Tür zu dem, was eigentlich das Schlafzimmer sein sollte, dem, wie der Immobilienmakler es damals genannt hatte, »Master Bedroom«. Dorthin hatte ich meinen Schreibtisch gestellt. Links waren die Küche, das Bad und das Zimmer, das der Makler Kinderzimmer genannt hatte, in dem ich schlief, daneben ein Gästezimmer, das ich mit einem Gästebett eingerichtet hatte, in dem nie jemand schlief.
    Dass die zwei Nachrichten auf dem Anrufbeantworter von Val und Enrique waren, wunderte mich zwar nicht, aber es ärgerte mich maßlos. Wo war eigentlich die Frau mit der Chicago-White -Sox-Mütze? Ich hatte sie heute noch nicht gesehen. Wahrscheinlich hatte ich mir auch das nur eingebildet. Es war einfach Zufall gewesen, eine Illusion, die ich hatte, weil ich nicht glauben konnte, wie sehr der Verlag mich vernachlässigte. Ich hätte ja auch tot sein können, ins Krankenhaus gekommen oder entführt worden sein, und die taten nichts - eine unglaubliche Frechheit.
    Doch was kümmerte mich das alles noch? Ich traf ja Jasper!
    In wenigen Stunden schon, und mit seiner Inspiration wird mein neuer Roman im Nu geschrieben sein. Die Dinge können sehr schnell gehen, wenn man nur die richtige Inspiration hat, und dann wird Parker Publishing es bereuen, dass sie sich nicht mehr um mich bemüht haben. Denn dieser Roman wird mein größter Erfolg, und ich werde ihn bei einem anderen Verlag veröffentlichen.
    Das Einzige, was ich noch für mein Treffen mit Jasper brauchte, waren meine Bankunterlagen aus dem Arbeitszimmer. Ich legte die Hand an die Türklinke. Nun musste es wohl sein. Die Tür öffnete sich schwer, ich musste mit meinem ganzen Gewicht dagegen drücken, damit sie sich langsam auftat, begleitet von raschelnden, schleifenden Geräuschen der Bücher und Papiere, die sie vor sich her schob.
    Ich betrat das

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