Das War Ich Nicht
Augen zusammen, als hätte ich auf ein Stück Alufolie gebissen. Banker sind langweilig und arrogant, da waren wir uns immer einig. Arthur und ich. Gösta und Regine, Sabine und Lars. Bei ihm zu wohnen, wäre wirklich ein Opfer.
Auf der anderen Seite wusste ich bei Jasper wenigstens genau, woran ich war. Er war ein Langweiler, aber er fand mich irgendwie toll. Damit werde ich mich wohl arrangieren müssen, schließlich konnte ich nicht zurück, ohne sicherzustellen, dass Henry LaMarck seinen Roman beenden konnte. Und wenn ich dafür bei diesem Bankerlangweiler wohnen musste, musste es eben so sein.
Ich nahm den BlackBerry und schrieb: Lass uns gerne mal wieder treffen. Löschte es und schrieb Danke für das Smiley, löschte auch das wieder und entschied mich für Danke. Bis denn!, löschte das Ausrufezeichen, löschte dann alles wieder und entschied mich nur für einen Smiley, der ebenfalls lächelte, wie der, den Jasper mir geschickt hatte, aber wenigstens nicht zwinkerte und auf und ab hüpfte.
Ich schickte die Nachricht ab.
JASPER
Im Fahrstuhl auf dem Weg zum Händlersaal ging ich so nah an den Spiegel ran wie möglich. Sah in mein rechtes Auge - seit ich durch die Speed-Gates gegangen war, spürte ich ein Zucken im oberen Lid. Doch so heftig das Zucken sich auch anfühlte, zu sehen war es kaum. Ich war weiterhin unauffällig. Vier Stunden musste ich geschlafen haben, vielleicht etwas mehr, vielleicht etwas weniger. Ich war nach Hause gekommen und hatte mich einfach auf das Sofa gelegt, komplett bekleidet, wohl so gegen acht. Um 23:14 war ich von meinem Hunger aufgewacht, aß Röstzwiebeln und saure Gurken. Etwas anderes war nicht da. Währenddessen bestellte ich eine Pizza, die ich in der Küche in mich reinstopfte. Danach konnte ich nicht wieder einschlafen und las weiter in Unterm Ahorn. Die ersten Kapitel spielten in einem Palmenhaus im Lincoln Park. Meike kannte es bestimmt, schließlich war es der wichtigste Ort in diesem wichtigen Roman von Henry LaMarck. Ich hatte nicht mal davon gehört. Unglaublich, wie schlecht ich diese Stadt kannte. Nie war ich in einem Museum gewesen, nie in einem Konzert - kein Wunder, dass Meike sich nicht für mich interessierte. Vielleicht war ich doch langweilig?
Irgendwann war ich noch mal eingeschlafen, doch um 1:20 schreckte ich hoch. In weniger als einer Stunde begann der Handel in Europa. Ich musste los.
In der U-Bahn setzte ich mich hin. An der Clark-Division-Station dämmerte ich weg. Hatte Glück, dass ich an der Lake Street wieder aufwachte, sonst wäre ich wohl ganz bis zum Ende der roten Linie gefahren.
Ein neuer Tag. Alles oder nichts. Als ich nachsah, wie HomeStar in Europa in den Handel gegangen war, wusste ich gleich: Es würde ein weiterer Tag werden, an dem nichts ging.
Minus 50 Millionen. Ungefähr.
Wieder wollte ich alles verkaufen, neu kaufen, in Bewegung halten. Doch als ich nach Optionen auf HomeStar suchte, fand ich kaum etwas. 5.000 Kontrakte hier, 5.000 da. Mehr nicht. So konnte ich meinen Einsatz nicht erhöhen. Der Markt war nicht tief genug.
Telefon. Ich nahm nicht ab. Wie oft konnte ich das wohl noch tun, ohne dass sich die Kollegen in London bei Alex beschwerten? Darüber durfte ich nicht nachdenken. Irgendwie musste ich es schaffen, die Wette noch mal zu verdoppeln. Kaufte Verkaufsoptionen auf andere Hypothekenbanken, setzte auf das Fallen der Bankenbranche insgesamt, kaufte und kaufte, in kleinen Stückzahlen, immer wieder. Was zumindest den Vorteil hatte, dass ich nicht dauernd daran denken musste, wie viel Geld ich insgesamt riskierte. Hätte ich alle Kontrakte auf einmal gekauft, müsste auf dem Bildschirm in guter Windows-Manier ein Fenster mit einem gelben Ausrufezeichen aufpoppen: Sie sind dabei, 50 Millionen Dollar zu riskieren, die Ihnen nicht gehören. Wollen Sie fortfahren? Und darunter ein einziger Button zum Anklicken, kein Ja, kein Nein, kein Abbrechen, sondern nur ein Was bleibt mir anderes übrig?
Von wegen langweiliger Banker! Meine Kollegen, die waren langweilig. Riskierten nichts, während ich permanent am Rande des Abgrunds stand.
Während die Nacht langsam zu Ende ging, stieg HomeStar weiter. Jeder Cent, den die Aktie zulegte, erhöhte meine Verluste. Doch wenigstens stieg sie nun wieder langsamer. Diesmal war es eindeutig: Die Umsätze sanken, die Aufwärtsbewegung verlor an Kraft.
Kurz bevor die anderen kamen, hatte ich es geschafft, meinen Einsatz nochmals zu verdoppeln. Konnte endlich wieder Anrufe von Kunden
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