Das War Ich Nicht
mir herüber. Oder von den Polizisten weg, die zu uns herübersahen, kurz und beiläufig der eine, dann der andere etwas länger. Auch ich sah sie an. Der eine hatte ein Funkgerät in der Hand. Oder war es ein Kaffeebecher?
»Was machen wir, wenn sie aussteigen?«, fragte Jasper. »Na, uns verhaften lassen. Was sonst?«
»Wir könnten schnell losfahren. «
»Schnell? Mit dem Auto?«
Da wurde die Ampel grün. Wir fuhren geradeaus weiter, die Polizei bog ab. Ich fühlte dem hellwachen, in meiner Brust, im Kopf, im ganzen Körper pochenden Gefühl hinterher, das ich empfand, als die Polizei neben uns gehalten hatte und das nur langsam nachließ. Und lachte. Genau wie Jasper. Wir lachten, einfach so, nicht besonders laut, nicht besonders lange, dann rauchte ich die köstlichste Zigarette seit Jahren, und Jasper fragte mich, ob er auch eine haben könne.
Wir rauchten und sagten nichts. Ich war zur Komplizin eines international gesuchten Finanzkriminellen geworden. Unvernünftig war das auf jeden Fall. Vernunft. Das Wort ließ Regine vor meinem inneren Auge auftauchen und Gösta, Sabine und Lars. Arthur. Ich stellte mir vor, wie sie den Kopf schüttelten, wenn sie davon hören würden, dass ich wieder aufgetaucht war, als Insassin im Untersuchungsgefängnis Fuhlsbüttel, Santa Fu; dringend tatverdächtig der Verdeckung einer Straftat, Fluchthilfe, Beihilfe zu allem, was Jasper getan hatte.
In den kommenden Minuten sah ich einige Male zu ihm hinüber, wie er, ohne zu husten, aber nicht ganz ohne Mühe, die Zigarette rauchte und durch die Windschutzscheibe nach vorne sah.
Mit der Sonnenbrille und dem schwarzen Kapuzenpullover sah er nun wirklich nicht mehr aus wie der Banker, den ich, »Marktdaten checkend«, im Caribou kennengelernt hatte, sondern eher so, als wollte er auf ein Konzert der Sisters of Mercy, zumindest solange man die Aufschrift auf dem Kapuzenpullover nicht las.
Die Autobahn, die wir wenig später erreichten, war derart leer, dass ich sogar das Fernlicht einschaltete, die weißen Linien, blauen Schilder und Leitplanken aufblinken ließ - nicht unbedingt, um besser sehen zu können, sondern um etwas zu tun zu haben. Das Radio wollte ich auf keinen Fall einschalten, und auch Jasper tat es nicht.
Bald näherten wir uns dem Nord-Ostsee-Kanal und sahen Blaulicht an der Abfahrt Schafstedt.
»Die haben uns doch erkannt. Haben sich nicht an uns rangetraut, ich gelte doch als gefährlich. Nun haben sie die Autobahn gesperrt«, flüsterte Jasper und hörte gar nicht mehr auf: »Halt an. Ich laufe weg. Wir treffen uns in Hamburg. Oder Heide? Was ist denn hier in der Nähe?« In seiner Stimme lag nun echte Angst, während ich weiterhin das Gefühl nicht los wurde, eigentlich nur Räuber und Gendarm zu spielen. Er schnallte sich ab, doch ich wurde nicht langsamer.
»Die sperren doch nicht die Autobahn auf der Suche nach dir, du bist kein Massenmörder.«
Vor uns blinkte ein Schild, ein Pfeil Richtung Ausfahrt. A 23 gesperrt. Umleitung U 42 folgen.
Vor der Fähre, die bei Schafstedt über den Nord-Ostsee-Kanal fuhr, standen bereits einige Autos. Wir stiegen aus, warteten, ich rauchte noch eine Zigarette, bot Jasper eine an, doch er lehnte ab. Jemand erzählte uns von einem Unfall Nähe Bokhorst. Bald darauf kam die Fähre, und während sie uns übersetzte, lehnten wir uns an die Reling. Ich sah die Schafe langsam näher kommen, die auf einer Weide standen, die die Laternen des Fähranlegers am anderen Ufer beleuchteten, pelzig und harmlos. Jasper hatte die Sonnenbrille abgenommen, was wohl auch richtig war, es war ja noch völlig dunkel. Dann holte er etwas aus seiner Hosentasche, das aussah wie ein Scheck, betrachtete es kurz, zerriss es und ließ die Papierstückchen in den Kanal fallen.
»Warum hat Henry LaMarck dich gefeuert?«, fragte Jasper, als wir von der Fähre herunter waren und das Auto langsam, mit zitternder Tachonadel, wieder in Richtung seiner Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h beschleunigte.
»Ich habe zu viel gewollt«, sagte ich.
»Er hätte das trotzdem nicht tun dürfen.« »Dich haben sie doch auch gefeuert.«
»Das ist was anderes. Bei mir war das ja nur irgendein Job. Aber du, du mochtest ihn.« »Mochtest du deinen Job nicht?« »Doch. Schon.«
»Das klang im Caribou aber viel begeisterter.«
»Irgendwas muss man doch machen, nach dem Studium. Da machen die meisten eben Karriere.«
»Die meisten ruinieren dabei keine Bank«, sagte ich.
»Aber jeder träumt ab und zu davon,
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