Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
man es mit dem Täter zu tun hatte. Die darauf folgende intensive Beschattung des Verdächtigen während des gestrigen Tages und der Nacht führte dazu, dass dieses entsetzliche Drama, das New York seit Monaten in Atem hielt, ein Ende gefunden hat. Wir danken Gott dafür. Die Ermordung siebenundzwanzig unschuldiger Menschen rief Erinnerungen an viele schreckliche Prüfungen wach, denen unser Volk durch Verrückte mit Waffen in der Hand ausgesetzt war. Drei Wochen lang übte der Heckenschütze von Washington im Jahr 2002 seinen Terror aus – im aktuellen Fall waren es Monate. Ich bin davon überzeugt, dass diese Untaten schon bald der Vergangenheit angehören werden. Während des letzten Monats haben wir mehr als anderthalb Millionen illegale Schusswaffen konfisziert. Wir haben bereits genauso viel Munition bei den Menschen eingezogen, wie in den letzten Jahren bei Kriegen überall auf der Welt verbraucht wurde. Wir sind voller Hoffnung, dass das sinnlose Töten bald ein Ende hat.«
Mo Goldenbaum zog die Schreibtischschublade auf, entnahm ihr einen schweren Revolver und drückte das Magazin heraus. »Puh!«, sagte er. »Ich musste doch schnell nachsehen, ob er meine Patronen mitgezählt hatte.« Er lachte, dass sein Körper bebte, und Henry hob den Daumen in die Höhe. Rosalie verschlug es die Sprache.
»Wir haben den richtigen Mann erwischt, teilt das Ministeriumfür Innere Sicherheit mit, das hat eine ballistische Untersuchung ergeben. Amerika kann erleichtert aufatmen.«
Rosalie starrte aus dem Fenster. Gerüchte kursierten, auf den Präsidenten sei ein Attentat verübt worden, aber er hatte doch eben zu ihnen gesprochen. Sie hatte auch Behauptungen gehört, der Dachmörder habe unmöglich alle diese heimtückischen Morde allein verüben können. Aber das hatte der Präsident doch eben entkräftet.
Alles könnte wieder gut sein. War es aber nicht. Denn Frank war tot.
»Das amerikanische Volk wurde von einer großen Last befreit. Unser Programm ›Eine sichere Zukunft‹ zeigt Wirkung. Das Land ist sicherer und lebenswerter geworden, und wir glauben fest daran, dass es so weitergehen wird. Wir Amerikaner haben eine lange Tradition, uns unsere eigenen Probleme zu schaffen. Das muss ein Ende haben. Sehen Sie nur ins Ausland. Erst haben wir Saddam Hussein und Osama bin Laden unterstützt, als wir sie damals im Kampf gegen die Priesterherrschaft im Iran und die Rote Armee der Sowjetunion brauchten, und dann wandten sich gegen uns. Sehen Sie, was geschah, als wir uns in Vietnam, Korea und Somalia einmischten. Blicken Sie nach Israel. Wir verloren unsere Söhne und schufen uns neue Feinde. Sehen Sie, was wir mit uns in unserem eigenen Land gemacht haben. Aber damit muss jetzt Schluss sein. Wir brauchen keine weiteren Probleme. Wir wollen unsere Söhne nicht mehr begraben. Die Welt soll auf sich selbst aufpassen, während wir hier in diesem gottgesegneten Land auf uns aufpassen. Unsere Reform wird den Weg dafür bahnen.«
Ein Sprecher, der abwechselnd Englisch und Französisch sprach, unterbrach die Übertragung. Mo Goldenbaum stellte den Ton leiser.
»Das ist ein kanadischer Sender, sie haben das vor einer halben Stunde von einer Fernsehübertragung übernommen«,sagte er. Er wandte sich zum Telefon und gab eine Nummer ein. »Hast du das gesehen?« Er sprach vermutlich mit seiner Frau. »Ja, prima! Dann kannst du mit den Kindern wieder nach Hause kommen. New York ist sicher.«
Nachdem er aufgelegt hatte, sagte er: »Da war Tom Jumper wohl voreilig!« Goldenbaum lachte, dass sein Doppelkinn bebte. »Vor zehn Minuten hat er auf derselben Frequenz behauptet, der Dachmörder sei ebenso eine Auftragsarbeit des Weißen Hauses wie mehrere der Attentate in der letzten Zeit.« Er schüttelte den Kopf. »Verdammt schlechtes Timing. Aber für das, was er sich traut, muss man den Blödmann doch bewundern, und auch dafür, dass er dem FBI lebendig entkommen ist.«
Henry, der an der Tür stand, nickte. »Vielleicht wird es jetzt besser. Meine Exfrau sagt, die Möwen folgen wieder der Fähre von Staten Island. Das haben sie mindestens einen Monat lang nicht gemacht. Sie sagt, das ist ein gutes Zeichen und alles wird gut werden.« Er lächelte.
Was für ein Quatsch. Rosalie wusste genau, dass er nur an seinen eigenen Arsch dachte, an die Firma und an seinen Arbeitsplatz. Möwen oder nicht, nur darum ging es.
Sie setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. Noch vor zwei Tagen wäre ihr ein Stein vom Herzen gefallen, aber dafür
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