Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
die Augen und bemühte sich, klar zu denken. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden waren also groß angelegte Militäraktionen auf amerikanischem Boden möglich. Gleichzeitig wurden nach jahrzehntelangen Bemühungen amerikanische Interessen im Ausland aufgegeben. Er konnte sich lebhaft die Verwirrung bei den Vereinten Nationen vorstellen. Natürlich würde es im Nahen Osten und anderswo Jubel geben und vermutlich auch in den Kasernen, aber wie lange würde dieser Jubel währen, wenn sich die globalen Kräfteverhältnisse schlagartig gravierend änderten? Die gesamten Streitkräfte sollten in die Vereinigten Staaten zurückkehren – was hatte Jansen denn mit ihnen vor? Sollten Flugzeugträger den Alabama River hinauffahren, um die Milizen, die sich im Talladega NationalPark verschanzt hatten, auszuradieren? Wollte er Harpoon-Raketen gegen die in Florida ankernde Flotte der Luxusyachten von nicht kooperationswilligen Milliardären einsetzen? Sollten Marines die Straßen stürmen, Fallschirmspringer aufsässige Rancher in Minnesota zur Räson bringen? Er sah Donald Beglaubter und Lance Burton an, aber sie schwiegen.
»Militärischer Ausnahmezustand. Ist es das, wovon Sie reden?« Sunderland antwortete an Jansens Stelle.
»In zwei Stunden erhält der Stab eine Liste der Executive Orders, die in Kraft treten.«
»Wenn Sie zu rechtfertigen versuchen, warum das Militär gegen Bürger der Vereinigten Staaten eingesetzt wird, muss das eine außerordentlich umfangreiche Liste sein.«
»Wir haben keine Wahl, Wesley. Sonst gerät die Situation außer Kontrolle.« Jansen wich seinem Blick aus. »Wir müssen das Risiko für die gewöhnlichen Bürger, sich auf den Straßen zu bewegen, so gering wie möglich halten.«
»Was sagt der Generalsekretär der Vereinten Nationen dazu? Ist er informiert?«, fragte Wesley vorsichtig. Natürlich war er das. Wesley wollte es nur hören.
»Ich treffe mich heute Abend mit unserem UN-Botschafter und dem Generalsekretär«, antwortete Jansen.
Wesley holte tief Luft. »Ich kann mir denken, dass die ausländischen Journalisten bei der Pressekonferenz viele Fragen zur Heimkehr der Truppen stellen werden. Kann das Treffen im UN-Gebäude nicht vorher – «
»Es werden keine ausländischen Journalisten kommen«, unterbrach ihn der Vizepräsident.
Stabschef Lance Burton sah für einen Moment fassungslos aus, zumindest war Wesley nicht als Einziger schockiert. Donald starrte nur ins Leere und hatte offenbar nicht vor, sich an der Aussprache zu beteiligen.
»Wir bereiten uns derzeit auf Proteste der Botschafter verschiedener Länder vor. Die Diplomaten sollen ihre Informationennicht von ihrer eigenen Presse erhalten, das ist ja wohl klar«, fuhr der Vizepräsident fort. In seiner sonst so undurchdringlichen Miene war eine gewisse Beunruhigung auszumachen, die Wesley alarmierte. War ihm endlich aufgegangen, dass sie die Kontrolle verloren hatten?
Mit seiner Entscheidung, in den Untergrund zu gehen, hatte der frühere Vizepräsident Michael Lerner jedenfalls seine Haltung klar dargelegt. Sobald er an die Macht kam, würden sie alle unter Anklage gestellt, signalisierte er. Es gelte, dem Präsidenten und seinen Lakaien den Auftrag zu entziehen, dann werde er das Land zurückführen zu dem, was es früher gewesen war. Lerner hatte tatsächlich das Wort Lakai benutzt, und genauso kam sich Wesley in diesem Moment vor.
»In diesem Zusammenhang müssen Sie wissen, dass unsere Botschaften und Konsulate jetzt bewacht werden. Unsere Diplomaten haben die Direktive erhalten, nähere Anweisungen abzuwarten.«
Wesleys Herzschlag beschleunigte sich. Er holte tief Luft und sah Bruce Jansen direkt an. »Mister President, erlauben Sie mir, einen Moment frei zu sprechen, anschließend werde ich meine Arbeit tun.«
Sunderland wollte protestieren, aber der Präsident nickte.
»Fügen wir unserer Sache damit nicht einen irreparablen Schaden zu? Ich weiß sehr wohl, wie viel Gutes dort draußen auch passiert. Aber wenn wir uns mit dem ganzen Land und dem Rest der Welt anlegen, gerät all das doch ins Stocken. Ununterbrochen rufen mich Angestellte aus den Botschaften an und fragen, ob es sicher für sie sei, im Land zu bleiben. Was mögen sie ihren Außenministerien über die Vorgänge bei uns berichten? Wir können sie nicht daran hindern. Es gibt Telefonverbindungen, Satellitenübertragungen, Internet und jede Menge starker Radiosender. Wir können uns doch nicht komplett vom Rest der Welt isolieren! Gibt es denn
Weitere Kostenlose Bücher