Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
seinem »Programm für eine sichere Zukunft« musste weiter umgesetzt werden, auch wenn es die USA zunächst um Jahre zurückwarf. Die um sich greifenden Unruhen mussten so rasch wie möglich niedergeschlagen werden, auch mit Gewalt. Die Arbeitslosigkeit musste abgeschafft werden, auch wenn das Unsummen kostete. Die Medien mussten sich höhere moralische Normen zu eigen machen. Die Korruption musste abgeschafft werden. Die organisierte Kriminalität musste ausgeschaltet werden, ebenso jede Form von Drogenhandel. Die Einwanderung musste zu hundert Prozent kontrolliert und illegale Arbeitskraft aus dem Land geschafft werden.
Lance Burton schien das Washington-Dekret in- und auswendig zu kennen. Wenn das alles nicht jetzt passierte, sagte er nachdrücklich, werde es nie passieren. Man musste die Liberalität der Vereinigten Staaten eben vorübergehend aufgeben. Und dazu gehöre auch, dass die amerikanischen Truppen ausdem Ausland zurückgeholt und zur aktiven Bekämpfung der Milizen auf amerikanischem Boden eingesetzt würden.
Wesley, der Lance Burton zuhörte, kam es vor, als seien Burtons Worte ausschließlich an die gerichtet, die sie abhörten. Aber warum gab ihm Burton dann nicht irgendein Zeichen? Ein kaum merkliches Kopfschütteln, ein Verziehen des Mundwinkels?
Wesley wurde es eng um die Brust.
Zutiefst beunruhigt war er in sein Büro zurückgekehrt. Er saß am Schreibtisch, die Finger ruhten auf der Tastatur, aber er schrieb nicht. Es wurde langsam dunkel. Er konnte nirgendwohin. Er hatte niemanden, mit dem er hätte sprechen können. Bis auf Doggie vielleicht, aber was könnte sie schon für ihn tun? Ihn in langen Gesprächen von seinen körperlich spürbaren Seelenqualen, seiner Verwirrung und Verzweiflung befreien? Vielleicht, aber selbst dafür hatte er keine Zeit.
Nicht einmal die Füße stillhalten konnte er. Noch anderthalb Stunden. Zuerst musste der Mist zu Lance Burton. Wenn der den Text akzeptiert hatte, musste vielleicht noch die eine oder andere Änderung durchführt werden, ehe er vor Thomas Sunderlands Augen Gnade fand. Wie zum Teufel sollte Wesley das anstellen?
Er stand auf. Vielleicht konnte er ja einfach kurz bei Doggie vorbeischauen? Er mochte ihren Duft so gern – vielleicht brauchte es ja nicht mehr, um zur Ruhe zu kommen und schreiben zu können? Er ging ins Archiv, öffnete die Tür zum schmalen Zwischenflur und schaute sich nach beiden Seiten um. Der Wächter vom Secret Service nickte ihm zu und sah dann wieder weg. Wesley hörte hinter sich ein Klicken: Donald Beglaubter war aus dem Büro getreten. Er sah tief besorgt aus. Wesley zog die Tür zum Flur hinter sich zu und blieb stehen. »Komm ins Archiv, Donald«, flüsterte er und nahm ihre beiden ID-Chips ab. »Was ist los?«
Beglaubter antwortete ganz ruhig: »Thomas Sunderland hat den Präsidenten gefragt, ob er zurückzutreten beabsichtige.«
»Wie bitte? Sunderland?«
»Lance Burton war dabei. Seiner Meinung nach war das als Angebot an den Präsidenten gedacht, nicht als Drohung.«
»Allmächtiger! Was hat Jansen geantwortet?«
»Nichts. Er hat nur den Kopf geschüttelt.«
»Hat Sunderland das wirklich gefragt? Das gibt es doch gar nicht! Hatte er gedacht, er würde dann Jansens Stelle einnehmen? Laut Verfassung hätte er das Recht dazu.«
»Das wurde nicht diskutiert. Aber ja, zweifelsohne.«
»Was hat Sunderland dann gemacht?«
»Er schien mit der Antwort zufrieden zu sein.«
Wesley schüttelte verwirrt den Kopf. »Und du, Donald, bist du mit der Antwort auch zufrieden? Auf welcher Seite stehst du?«
Der diensthabende Kommunikationschef des Weißen Hauses gehörte mit Sicherheit zu den besten Krisenmanagern, die Wesley je erlebt hatte. Dass Beglaubter damals zur Kampagne gestoßen war, hatte sich sehr schnell als Gewinn entpuppt. Aber wie er jetzt vor Wesley stand, den Blick zu Boden gerichtet, war er nur der Schatten seiner selbst.
»Wesley, das hier ist das letzte Mal, dass wir beiden irgendetwas off the record besprechen können«, sagte er. »Hör deshalb gut zu, was ich jetzt sage. Und keine Fragen. Die kann ich sowieso nicht beantworten. Okay?« Er betrachtete Wesley aus zusammengekniffenen Augen. »Wir alle haben gute Gründe für unsere Reaktionen. Nichts ist dem Zufall überlassen. Wenn du glaubst, ich unterstütze, was da geschieht, und weiß möglich sogar mehr, dann hast du dich getäuscht. Aber meine Augen sind offen.«
»Ob wir wohl dasselbe sehen? Vielleicht sollten wir mal über das reden, was
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