Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Sunderland eine Kopie hochhielt.
»Das Original ist zur kriminaltechnischen Untersuchung weitergeleitet worden. Auf Fingerabdrücke wurde es bereits untersucht. Ohne Ergebnis, sodass wir im Augenblick nicht viel mehr wissen, als dass der Brief höchstwahrscheinlich auf einem der Drucker des Hauses und auf dem offiziellen Briefpapier geschrieben wurde.«
Das Blatt wurde herumgereicht. »Das ist doch der helle Wahnsinn!«, murmelte Donald Beglaubter, der inzwischen zum Kommunikationschef aufgerückt war. Er las den Brief noch zweimal, als wollte er sich rückversichern, den Absender nicht identifizieren zu können.
Auch Wesley las ihn zweimal: »Der amerikanische Präsident wurde vereidigt, die Verfassung zu schützen. Bruce Jansen hat diesen Eid gebrochen, und wenn er nicht bis spätestens vier Uhr morgens seinen Rücktritt erklärt, wird ihm noch vor Ende des Tages der Hals aufgeschlitzt.«
Wesley schüttelte den Kopf. »Okay, das ist wirklich entsetzlich. Offenbar gibt es im Haus jemanden, der unbedingt mal seine Meinung sagen musste, und natürlich ist es außerordentlich bedauerlich, dass wir nicht wissen, wer das ist. Aber das hier«, er hielt das Blatt hoch, »ist doch nicht wirklich Besorgnis erregend, oder? Das klingt doch debil.«
Stabschef Burton, der wie immer auf der Couch saß, beugte sich vor und sah Wesley direkt an. Er wirkte angegriffen.»Mag sein«, sagte er und fuhr nach einer kurzen Pause fort: »Aber immerhin lag ein Leibwächter mit durchgeschnittener Kerl am Fundort des Briefes.«
Wesley runzelte die Stirn. Die Leibwächter waren bestens trainierte Männer. Und alle, die zum Präsidenten standen, hätten an der Stelle des armen Kerls sein können. Aus Entsetzen wurde Furcht. Kein Zweifel, das Signal zeigte Wirkung.
Jansen faltete über seinem Notebook die Hände. »Ich werde heute Abend bei der Pressekonferenz nicht persönlich anwesend sein. Lance, bitte setzen Sie und Donald sich mit Wesley zusammen und arbeiten eine Erklärung aus. Die Pflicht des Präsidenten, das Land zu regieren, muss thematisiert werden, und auch, dass es derzeit zu dieser Pflicht gehört, die FEMA in Aktion treten zu lassen und die Executive Orders umzusetzen. In dem Zusammenhang müssen die Kämpfe mit den Milizen erwähnt werden, aber auf keinen Fall darf durchsickern, wie erfolgreich deren Angriffe waren.«
»Entschuldigen Sie, Mister President, aber wie soll man das geheim halten?« Wesley unterbrach sich und blickte zu Boden. »Abgesehen davon, dass wir seit Wochen die Top-Nachrichten des Auslands bestimmen: Zurzeit senden fast überall im Land Piratensender. Die sind nicht stoppen. Wie viele offizielle Radiosender gab es vor dem Ausnahmezustand im Land? Waren es nicht dreizehntausend? Vermutlich gibt es auf Dachböden und in Kellern noch Tausende funktionstüchtiger Sender, wenn auch illegal. Und das Internet, das Mobilfunknetz, das massenweise Verschicken von SMS und all die anderen Möglichkeiten. Kann man das alles mit Störsendern und ähnlichen Kinkerlitzchen stoppen?« Er ärgerte sich über seine Wortwahl, aber das, was er meinte, war hoffentlich klar geworden.
Thomas Sunderland fixierte Wesley. »Nein, das kann man nicht. Aber man kann dafür sorgen, dass es im Kielwasser der bisherigen Geschehnisse zu weiteren, größeren Ereignissen kommt, und die Aufmerksamkeit der Menschen darauflenken. Ein Kommunikationsspezialist wie Sie sollte das wissen.«
»Aha! Ist es jetzt so weit, dass wir die Schlupfwinkel der Milizen mit Napalm bombardieren?« Wesley bereute seinen Ausbruch sofort. Doch der Gesichtsausdruck des Vizepräsidenten beunruhigte ihn. Vielleicht hatte dieser knochentrockene Mann nicht unbedingt Napalm im Sinn, aber etwas in seinem Blick wirkte, als sei er zu härtesten Maßnahmen entschlossen. Als bedeuteten ihm enorme Verluste unter Zivilisten und zahlreiche unschuldige Opfer nichts. Wesley wagte nicht, den Gedanken weiterzuverfolgen.
Auch Präsident Jansen ging nicht weiter darauf ein. »Wir müssen den Blick jetzt nach innen richten. Wir stehen am Rand eines Bürgerkriegs, und um ihn zu vermeiden, müssen wir hart durchgreifen.« Er wandte sich Lance Burton zu. »Gestern Abend habe ich Befehl gegeben, das Verteidigungsministerium möge alle im Ausland stationierten amerikanischen Truppen zurückbeordern, und zwar mit sofortiger Wirkung. In diesen Minuten werden in Europa und im Nahen Osten bereits Truppen verschifft.«
Wesley spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Er schloss
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