Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
keinen Weg, diesen gewaltigen Prozess etwas zu Verlangsamen?«
Jansen lehnte sich zurück, seine großen Hände ruhten auf den Armlehnen. Wie ein Kaiser von Gottes Gnaden, ging es Wesley durch den Kopf. »Nichts täte ich lieber, Wesley, aber das Land ist bereits im Ausnahmezustand, es gibt keinen Mittelweg mehr. Dafür haben die Bombe in Wisconsin, die Bedrohungen des Kongresses und die Ermordungen unserer Leute gesorgt.«
Wesley sah zu Donald Beglaubter und Lance Burton, doch die rührten sich nicht. »Ja«, sagte er leise. »Aber vielleicht werden wir eines Tages hart dafür bestraft, dass wir nicht hier und jetzt die Notbremse gezogen haben. Dort draußen geschieht Furchtbares, und wir wissen es. Milizenanhänger werden standrechtlich erschossen. Ich habe von solchen Erschießungen in Alabama und Oregon gehört, und ich weiß, dass überall in den Gefängnissen schon einige der verurteilten Milizionäre hingerichtet worden sind. Was denkt der Rest der Welt von uns? Was denken unsere normalen, rechtschaffenen Bürger von uns?«
»Wesley, es gibt ganz klare Regeln für das, wozu wir im Ausnahmezustand das Recht haben«, antwortete Jansen. »Fragen Sie bei Billy Johnson im Sicherheitsministerium nach, welche Erwägungen unserem Tun zugrunde liegen.«
»Mister President, Tausende streiken, weil sie in dieser Situation ihre Arbeit verlieren. Und wir lassen die Nationalgarde gegen sie aufmarschieren! Offenbar soll jeder Widerstand gebrochen werden, aber …«
Sunderland unterbrach ihn. »Ja, wir bekämpfen den Widerstand, wo immer er auftaucht.« Er warf einen Blick auf die Uhr, dann sah er Präsident Jansen an. »Die Streiks in den meisten großen Städten haben wir nun unter Kontrolle, und in einer halben Stunde schließen wir die Grenzen. Ich denke, dass die Situation sich in der Nacht zum Teil ändern wird, Mister President, deshalb müssen wir hier und jetzt in erster Linie für Ihre Sicherheit sorgen. Ich werde den Secret Service anweisen,dass er von nun auch an Ihre Wohnräume überwacht. Sind Sie damit einverstanden, Mister President?«
Wesley hörte Jansens Antwort nicht.
Vizepräsident Sunderland nickte dem Sicherheitsposten an der Tür zu seinem Büro zu. »Geben Sie bitte draußen Bescheid, dass der Präsident das Gebäude nun verlassen wird.«
Sie gingen in Lance Burtons Büro und schlossen die Tür hinter sich. Burton nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und richtete eine winzige Fernbedienung erst auf die Deckenbeleuchtung, dann auf die Stereoanlage. Gedämpftes Licht und klassische Musik beruhigen, pflegte er zu sagen. Wesley bezweifelte, dass das in der gegenwärtigen Situation noch half.
»Kneif mich. Das hier träume ich doch bloß«, sagte Wesley leise.
Donald setzte sich ihm mit verschränkten Armen gegenüber. Er schob die Unterlippe vor.
»Was ist hier los, Donald, sag mir, was hier los ist!«
Wesley sah, dass Beglaubter Angst hatte. Trotzdem würde er nichts aus ihm herausbekommen.
»Was los ist? Wir sollen die Presseerklärung vorbereiten, die du in zwei Stunden abgeben wirst. Das ist los, Wesley.«
Er ließ den Blick von Donald zu Lance Burton wandern. Früher hatte es einen unverbrüchlichen Zusammenhalt zwischen ihnen gegeben. Sie hatten sich jederzeit gegenseitig unterstützt. Und jetzt?
Er trommelte mit den Fingern auf die Glasplatte des Couchtischs. Nicht einmal das klang ordentlich.
»Mit wem von euch beiden kann ich frei sprechen?« Aus den Lautsprechern tönte die »Ode an die Freude«. Ironischer ging es kaum.
Stabschef Burton streckte den Arm zur Seite. »Mit uns beiden natürlich. Schieß los, Wesley. Frei von der Leber weg.«
Stirnrunzelnd ließ er einen Moment die Mienen der beiden Männer auf sich wirken. Gab es Unterschiede? Blitzte in Donalds früher so schelmischem Blick nicht etwas Neues, Fremdes auf?
Er stand auf, nahm die Fernbedienung und stellte die Musik lauter. Beethoven wirkte, die Atmosphäre änderte sich. Dann nahm Wesley seinen Identifikationschip ab und beugte sich zu Burton, um auch dessen Chip abzunehmen. Sie mussten sicher sein, nicht abgehört zu werden. Aber Burton lehnte sich zurück und sah ihn wütend an.
Wesley ging zurück zu seinem Stuhl und nahm wieder Platz.
In den folgenden Minuten ging Lance Burton die Fakten des letzten Tages durch und belehrte Wesley zugleich über das, was möglich war und was nicht. Denn wenn auch die Ereignisse überall außer Kontrolle gerieten, so blieb doch das Ziel dasselbe: Das Washington-Dekret mit
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