Das Weihnachtshaus
gepresst, folgte ich Ellie ins Esszimmer, wo sie mir zeigte, wie der Tisch gedeckt werden sollte. Die Teller hatten der Jahreszeit entsprechend ein Muster aus Stechpalme und hellen roten Beeren auf dem Rand. Neben jedem der zwölf Gedecke stand ein kleiner Brotteller. Nun musste noch allerlei Besteck dazugelegt werden.
Mitten auf dem mit Efeuranken gemusterten Tischtuch lag eine Girlande aus frischen Tannenzweigen. Der Duft belebte das recht kleine Esszimmer. Teelichte waren auf dem Tisch verteilt, damit sie nachher zum Weihnachtsessen ihr sanftes Licht verbreiteten. Über dem Tisch hing ein einfacher Kronleuchter, um dessen herunterbaumelnde Kristalle rote und grüne Bänder geschlungen waren.
Edward tauchte auf der Türschwelle auf. «Ellie, hattest du schon Gelegenheit, einen letzten Blick auf die Papiere auf dem Schreibtisch zu werfen?»
«Nein, noch nicht. Musst du die Entscheidung heute treffen, oder hat das noch Zeit?»
«Natürlich hat es noch Zeit, aber ich sehe Robert beim Gottesdienst heute Morgen. Er drängt auf eine Antwort, weißt du. Nach der Party gestern Nacht haben wir noch einmal alles durchdiskutiert, aber ich befürchte, wir sind zu keiner Einigung gekommen.»
«Ich verstehe.» Ellie gab mir die Gabeln. «Die Papiere liegen noch auf dem Schreibtisch?»
«Ja.»
«Ich komme und schaue sie mir an. Aber dann müssen wir uns wirklich für die Kirche anziehen.»
Ellie und ihr Mann gingen ins Arbeitszimmer auf der anderen Seite des Flurs. Ich konnte ihre Stimmen hören, und ihnen war offensichtlich nicht klar, wie gut sie hier draußen zu verstehen waren.
«Edward, wenn man dieses Papier in der Brieftasche deines Vaters gefunden hat, ist das für mich Grund genug, dass es in die Sammlung aufgenommen wird.»
«Robert würde dir natürlich recht geben. Aber ich habe auf eine mögliche Erklärung gehofft.»
«Was wir wirklich brauchen, ist ein unvoreingenommener Blick darauf», meinte Ellie.
Ich hörte, wie Edward mit entschlossenen Schritten ins Esszimmer zurückkam. Er schob sein Kinn ein wenig vor und blickte mich durch die untere Hälfte seiner Brillengläser an. Seine Haltung erinnerte mich an einen Wissenschaftler, der einen seltenen Käfer betrachtet. «Kennen Sie sich vielleicht mit Wortspielen aus, Miranda?»
«Nicht besonders gut.»
«Schade.» Er seufzte. «Würde es Ihnen etwas ausmachen, trotzdem mitzukommen und es sich anzusehen? Wir haben ein kleines Problem mit einem kurzen Gedicht.»
Verblüfft folgte ich ihm über den Flur ins Arbeitszimmer. Vor uns stand ein großer prächtiger Schreibtisch, der mit Papierstapeln bedeckt war, die in einer besonderen Weise angeordnet zu sein schienen. Die Handschrift war überall dieselbe. Einige der Seiten waren vollgeschrieben und sahen aus wie Briefe. Auf anderen hingegen standen nur ein paar Wörter. Obwohl die Seiten verkehrt herum lagen, konnte ich erkennen, wie gleichmäßig die Handschrift des Verfassers war.
«Es geht um das hier.» Ellie deutete auf ein Blatt an der hinteren Ecke. Es war wohl vor langer Zeit zu einem kleinen Rechteck gefaltet worden und an den vielen Knicken ganz vergilbt.
«Wir versuchen, zu einem Schluss zu kommen wegen einiger Arbeiten meines Vaters, die von der Britischen Gesellschaft zur Erhaltung der Theater für eine historische Sammlung in Betracht gezogen werden. Wir sind sicher, dass er fragliches Stück geschrieben hat. Es passt zu den anderen. Aber dieses Gedicht ist vom Muster und von der Art her ganz anders als seine anderen Arbeiten.»
«Mit anderen Worten, niemand von uns versteht, was dieses Gedicht bedeutet», sagte Ellie.
«Wir glauben, es ist ein Original und kein Zitat. Jetzt haben wir das Problem, dass wir es einem Datum zuordnen müssen, und wir sind, offen gestanden, ziemlich ratlos. Falls dieses Gedicht irgendeine Bedeutung hat, dann ist sie uns offensichtlich entgangen.»
Mein Herz fing laut zu klopfen an. Die Seiten stammten von meinem Vater. Ich blickte auf seine Briefe, auf seine Handschrift.
Ich ging auf die andere Seite des Schreibtischs und versuchte, mein rasendes Herz zu beruhigen, während ich die fünf Zeilen las, die meine Herkunft bewiesen.
am ufer des sees im mondenschein
ein erstes mal ein einziges mal
wie im anbeginn der zeit
betörende eve ein einziges mal
nun auf ewig in diesem einsamen herz
Ich wusste, was dieses Gedicht bedeutete.
Ich wusste alles über die Nacht im Mondenschein an einem See auf einem federweichen Moosbett. James Whitcombe hatte dort mit der
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