Das Weihnachtsversprechen
unterbrach sich, weil sie merkte, wie unbeholfen sie klang. »Und frohe Weihnachten.« Miriam blickte hoch und sah, dass Chaz sie vom Eingang des Wilson’s aus beobachtete. Sie zuckte mit den Schultern, hievte die Tüte auf ihre Hüfte und ging zur Kirche.
Carla erwachte an jenem Abend um sieben Uhr. Ihre Verletzungen schmerzten, und sie stöhnte, als sie sich auf die Bettkante setzte. Tränen traten ihr in die Augen.Es gab keinen Ausweg. Sie konnte die Polizei nicht rufen und Thomas anzeigen. Wenn sie das tat, ging sie das Risiko ein, dass das Jugendamt von seiner Gewalttätigkeit erfuhr und man Donovan wieder in ein Pflegeheim steckte. Sie musste sich eben einfach einen Weg überlegen, Donovan von Thomas fernzuhalten, bis sie eine Möglichkeit fand, Thomas ein für alle Mal loszuwerden. Carla stand auf, der Schmerz in ihren Rippen raubte ihr den Atem und zwang sie, sich wieder auf das Bett fallen zu lassen.
Sie riss die Schlafzimmertür auf und lauschte, ob Thomas in der Wohnung war. Langsam schob sie sich zur Eingangstür vor und versicherte sich, dass der Riegel zu und die Kette vorgelegt war. Dann ging sie unter die Dusche. In ihrem Kopf klang die Stimme ihrer Mutter. Sie hatte ihr ganzes Leben lang Verlierer angezogen. Der einzige Mann, der treu zu ihr stand und sie wirklich liebte, war Donovan, und sie schwebte in der Gefahr, ihn zu verlieren.
Als sie gegen acht Uhr die Eingangstür öffnete, stieß sie auf Thomas. Er zog sie dicht an sich heran, und sie schrie vor Schmerz auf.
»Geh wieder rein«, befahl er und packte ihren Arm. Sie spürte, wie Panik in ihr aufstieg, aber sie riss ihren Arm von ihm los. »Ich muss Donovan abholen und ihn zu einem anderen Babysitter bringen, bevor ich arbeiten gehe.«
»Zum Teufel mit dem Kind«, fauchte Thomas. »Ihm geht’s gut.«
Er hatte getrunken; sie schmeckte es, als er seinenMund auf ihren presste, und sie fuhr zusammen, als er sie festhielt. Sie schaffte es, ihn wegzustoßen, und stolperte zum Parkplatz.
Um neun Uhr abends schlüpfte Chaz in das Büro des Sicherheitsdienstes und rief die Auskunft an, um nach der Telefonnummer der Polizei in Kentucky zu fragen. Er hatte diesen Staat willkürlich und nur deshalb ausgewählt, weil Mike einen Südstaatenakzent hatte. Er wusste nicht, mit wem er sprechen sollte, aber er dachte, dass möglicherweise irgendjemand in der Lage war, die Dateien mit den vermissten Personen oder dergleichen durchzugehen, um nachzusehen, ob irgendjemand von ihnen Mike war. Er wurde zweimal weiterverbunden, und dann schaltete sich nur ein Anrufbeantworter ein. »Es ist dumm, so spät am Abend anzurufen«, sagte er laut und legte auf.
Donovan kam in das Büro gerannt und sprang hoch, um den Hals von Chaz zu umklammern. Carla stand im Türrahmen, und Chaz winkte ihr zu. Sie huschte aus der Tür, und er öffnete eine Tüte, damit sich Donovan das Sandwich herausnehmen konnte, das er ihm mitgebracht hatte.
»Du«, sagte Chaz, »ich habe heute deine Freundin Miss Glory kennengelernt.«
»Ich habe bei ihr übernachtet.«
»Ich weiß. Sie scheint nett zu sein.«
»Sie ist nett«, versicherte Donovan. »Mom hat gesagt, dass ich ihre Adresse auswendig wissen muss, falls ich mal verlorengehe oder dergleichen, also hab ich mir814 Maple gemerkt, und ich habe zwei Tüten Bonbons dafür bekommen.«
»Das ist möglicherweise eine gute Idee«, meinte Chaz.
»Wir haben Kekse gebacken, und sie hat mir ein paar gegeben, damit ich sie dir bringe. Aber ich hab sie alle aufgegessen.«
»Danke! Sie hat mir erzählt, dass du zu ihr gesagt hast, sie würde aussehen, als ob eine Katze in ihrem Haar gespielt habe.«
Donovan biss vom Sandwich ab. »Ich hab das nicht zu ihr gesagt. Ich habe das zu der anderen Dame gesagt.«
»Sie dachte, du hättest es zu ihr gesagt«, meinte Chaz. »Trotzdem ist es sehr komisch.«
Donovan lachte in sich hinein, und dabei prustete er so, dass Sandwichkrümel aus seinem Mund flogen. Chaz sprang hoch und tat, als sei er angeekelt, was Donovan noch heftiger lachen ließ. Chaz’ Nachtschicht schien schneller vorbeizugehen, wenn Donovan bei ihm war.
Um Mitternacht stieß Erin meine Tür auf. »Gloria! Ich glaube, meine Fruchtblase ist gerade geplatzt.«
Ich sprang auf die Füße, und Whiskers schoss zur Tür hinaus. »Steig ins Auto!« Ich vergaß alle Förmlichkeiten, tastete nach dem Lichtschalter und zog ein Sweatshirt, das am Fußende meines Bettes lag, über mein Nachthemd. »Nein! Zieh dich erst an, und steig dann ins
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