Das weiße Amulett
sich, ließ sie in eine Schublade seines Schreibtischs verschwinden und wandte sich dann an Karen.
»Was glauben Sie, wie lange Sie noch in Paris bleiben werden, Madame Alexandre?«
Karen zuckte mit den Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich noch einige Tage.« Escard hatte sie angerufen und ihr mitgeteilt, dass Monsieur Artois sie in zwei Tagen um vierzehn Uhr sprechen wolle. Vielleicht wegen der Papiere, die Escard ihr gestern gegeben hatte, als sie die Artefakte in der Sorbonne abgeliefert hatte.
»Gut.« Laurent stützte sich schwer auf seinen Schreibtisch. »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie Paris verlassen«, sagte er und ging zur Tür, wo sie sich verabschiedeten.
»Warum hast du ihm nichts von dem Djed-Pfeiler erzählt?«, fragte Mansfield, als sie wieder im Auto saßen.
»Weil er ihn mir sonst abgenommen hätte.«
»Du willst also wirklich noch einige Tage in Paris bleiben?«
»Ja, es muss sein.«
»Und dann gehst du zurück nach Hamburg?«
»Ja.«
Eine unangenehme Pause entstand, in der Mansfield den Wagen mit einer harten Handbewegung startete und der Motor aufheulte.
»Was ist, wenn der Fremde dir nach Hamburg folgt? Immerhin war er auch in Kairo.« Er fuhr auf die Straße und streifte dabei einen Begrenzungsstein, was ihn aber nicht zu kümmern schien.
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie. »Er wird mich wohl so lange verfolgen, solange ich das Amulett habe.«
Mansfield nickte. »Und was sagt uns das?«
Sie verstand, was er meinte. »Nein, Michael, ich werde das Amulett niemandem anvertrauen und auch nicht mit der Post verschicken, dazu ist es zu wertvoll. Ich werde es meinem Bruder geben, so wie El Bahay es wollte.«
Mansfield zog das Lenkrad herum und brachte den Wagen rabiat auf die Überholspur.
»Vertraust du es auch mir nicht an? Ich würde nach Berlin fahren und es deinem Bruder bringen.«
Karen musste leise lächeln. »Das ist sehr lieb von dir, aber dies ist etwas, was ich selbst tun muss. Ich fühle mich für dieses Amulett verantwortlich. Ich kann diese Aufgabe niemand anderem übergeben.«
»Doch, das könntest du, wenn du nicht so dickköpfig wärst, verdammt noch mal!«
Sie beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Wange.
»Wie gut du mich doch kennst. Dann weißt du auch, dass ich nicht anders handeln kann. Ich habe dieses Amulett nicht gefunden. Es kam zu mir, nicht zu dir. Es ist meine Aufgabe. Ich muss es zu Ende bringen.«
Mansfield runzelte die Stirn. » Was zu Ende bringen?«
»Das, was Prof. Bernhardt nicht mehr geschafft hat – die Analyse des …ls.«
Er schlug mit der Faust aufs Lenkrad. »Aber es ist viel zu gefährlich für dich!«
Karen lehnte sich zurück. »Das Risiko muss ich eingehen.«
»Dann ruf wenigstens deinen Patenonkel an. Frag ihn, was er davon hält, dass du noch in Paris bleiben willst.«
Karen musste lächeln, als sie sich Julius bei diesem Telefonat vorstellte. »Ich weiß schon, was er sagen würde.«
»Und?«
»Er würde mir zustimmen.«
»Himmelherrgott«, rief Mansfield. Dann wurde er wieder ruhiger. »Du weißt, dass ich dir das Amulett schon längst hätte abnehmen können.«
Sie nickte bedächtig. »Ja, ich weiß.«
Und ich verstehe selbst nicht, warum ich es nicht getan habe, dachte er und bog auf die Sully-Brücke ein. Eine halbe Stunde später parkte er den Wagen im MaraisViertel, wo er ein Appartement für sie beide gemietet hatte. Seiner Erklärung, ein Hotel sei nicht mehr sicher genug, hatte Karen ohne Gegenargument zustimmen müssen, und so waren sie in das Fünf-Zimmer-Appartement mit kleinem Garten und Hinterhof eingezogen. Dass ein gewisser Robert Brennar Mansfield im Marais-Viertel kaum finden und es somit ein sicheres Versteck sein würde, verschwieg er Karen geflissentlich. Ein Gespräch mit Tom hatte ergeben, dass Brennar und seine Leute immer noch in Paris waren und hartnäckig nach ihm suchten. Tom hielt es für einen großen Fehler, zu diesem Zeitpunkt nach Paris zurückzukehren, aber Mansfield ließ sich auf keine Diskussion ein.
»Ich bin schon öfter große Risiken eingegangen, Tom, das weißt du.«
Tom hatte aufgestöhnt. »Aber sonst war ich immer in deiner Nähe und konnte auf dich aufpassen.«
Mansfield hatte leichte Verärgerung in der Stimme seines Freundes herausgehört. »Komm doch nach Paris. Ist eine schöne Stadt«, hatte er ihn geneckt.
»Klar. Und Winslow kommt auch mit. Dann feiern wir eine Party, und alle sind glücklich«, hatte Tom zurückgefrotzelt. »He,
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