Das weiße Amulett
untergetaucht.«
»Oder im Knast«, konterte Durel.
»Richtig. Es sei denn, ich hätte Sie und Laurent gleich mit umgelegt, weil Sie mir im Weg standen.«
»War das eine Drohung?«
»Nennen wir es einen Hinweis. Sie sollten mich lieber in Ruhe lassen, Durel.«
»Das fällt mir schwer, wenn andauernd Mordanschläge in Ihrer Nähe stattfinden, Monsieur. Es wäre vielleicht besser, wenn Sie Paris demnächst verlassen würden. Ebenfalls, nur so als Hinweis.« Durel lächelte, obwohl sein Blick alles andere als freundlich war.
»Ich verlasse Paris, wann es mir passt. Ich bin hier noch lange nicht fertig. Und wenn ich Sie so sehe, könnte der Aufenthalt noch viel länger dauern.«
Seine rechte Hand zuckte vor und wollte Durels Hals packen, doch dieser war schneller und wehrte die Hand mit seinem Unterarm ab. Mit gekreuzten Armen standen sich die beiden Kontrahenten wie in einem Duell gegenüber. In dem Moment öffnete sich eine Zimmertür neben ihnen, und eine Krankenschwester trat mit weißem Tablett und einer leeren Transfusionsflasche in den Flur. Die beiden Männer machten Platz und ließen die Schwester passieren, die sich über die angespannte Atmosphäre wunderte. Außerdem war die Besuchszeit schon lange vorbei. Aber von dem einen Mann wusste sie, dass er zur Polizei gehörte, und den anderen hatte sie auch schon öfter hier gesehen. Also lächelte sie ihnen nur kurz zu und verschwand in einem anderen Krankenzimmer am Ende des Flurs.
Mansfield straffte die Schultern und zog die Lederjacke an.
»Passen Sie gut auf Karen auf. Wenn ihr heute Nacht etwas zustößt, mache ich Sie und Laurent fertig.« Ohne sich umzudrehen ging er den Flur entlang und verschwand durch die Schwingtür ins Treppenhaus.
Durel trat in das kleine Einzelzimmer. Tatsächlich hatte er von Laurent den Auftrag erhalten, Karen Alexander auf keinen Fall aus den Augen zu lassen. Wenn möglich, sollte er bei ihr im Zimmer bleiben und sie, falls sie aufwachte, sofort nach dem Tathergang befragen. Das war zwar nicht die feinfühlige Variante, aber da Mansfield sonst immer in ihrer Nähe war, schien es für Laurent keine andere Möglichkeit zu geben.
Durel setzte sich auf einen der wenigen Besucherstühle und blätterte uninteressiert in einigen Zeitschriften. Allmählich wurden die Geräusche auf dem Flur weniger, und nur die Glocken einer nahen Kirche waren seine Begleiter in dieser Nacht.
Man hatte Karen einige Medikamente gegeben, die sie mehrere Stunden schlafen ließen, und auch Durel wäre beinahe eingenickt. Aber auf einmal bemerkte er, wie Karen tiefer atmete und sich in ihrem Bett bewegte. Er ging zu ihr hin und legte sanft eine Hand auf ihren Arm. Sie seufzte. Er spürte, wie sie langsam aufwachte.
»Madame Alexandre?«, flüsterte er eindringlich.
Karen öffnete leicht die Augen und warf der unscharfen Silhouette neben sich einen Blick zu.
»Wer … sind Sie?«
»Sie kennen mich, Madame Alexandre. Ich bin René Durel, ein Kollege von Kommissar Laurent. Erinnern Sie sich nicht mehr?«
Karen blinzelte. Es war ihr eigentlich egal, wer er war.
»Wo ist Michael?« Die Frage endete in einem kurzen trockenen Hustenanfall, der schrecklich schmerzte. Sie fasste sich an den Hals.
»Er war hier, aber wir haben ihn nach Hause geschickt. Er wollte vor Ihrer Tür Wache halten, ist jedoch immer wieder eingeschlafen.«
Ein kurzes Lächeln huschte über ihr Gesicht, ehe sie die Augen wieder schloss. Sie war so entsetzlich müde.
»Sie können gleich weiterschlafen, Madame, aber würden Sie mir bitte zuerst schildern, was gestern geschehen ist?«
46
Nachdem Nivet aus Laurents Peugeot gestiegen war, um die nächste Wache vor Karen Alexanders Tür zu halten, setzte sich Durel auf den Beifahrersitz. Seine Augenringe und die harte Bewegung, mit der er den Sicherheitsgurt heranzog, ließen Laurent erstaunt aufblicken. Er kannte seinen Kollegen zu gut, um nicht zu wissen, dass die Nacht nicht glatt verlaufen war. »Was ist passiert?«
Mit einem lauten Klack ließ Durel den Gurt einrasten.
»Mansfield wollte sich mit mir anlegen.«
Laurent hob eine Augenbraue. »Hat er dich angegriffen?«
»Er hat es versucht, aber ich war schneller. Mitten auf dem Krankenhausflur. Dann kam eine Krankenschwester aus einem der Zimmer.«
»Ich hätte große Lust, ihn wegen Angriffs auf einen Polizeibeamten einzubuchten. Der Eintrag eines Vorfalls in Frankreich fehlt eigentlich noch in seiner Personalakte.«
»Dafür reicht es nicht. Er hat mich nicht
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