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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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Aber wie sollte man ihm die roten Striemen an ihrem Hals erklären? Sie würden Probleme mit der Polizei bekommen.
    Vielleicht würde Karen keinen Arzt brauchen. Er musste daran denken, wie rasch sie in Paris immer wieder oben auf war. Von der Gehirnerschütterung, den Prellungen und dem Giftanschlag hatte sie sich schnell erholt, und auch die Entführung in der Wüste hatte sie gesundheitlich gut überstanden. Mit einem Blick auf ihren verletzten Hals musste er feststellen, dass sie hart im Nehmen war. Auch diesmal hatte sie tapfer durchgehalten, bis sie im Zimmer waren. Aber wie sah es in ihrem Inneren aus? Warum hatte sie sich so vehement gegen die Reise nach Siwa gewehrt? Weil er wieder in eine Wüstenoase wollte? Sicher litt sie immer noch unter den Erinnerungen der ungewissen und qualvollen Tage ihrer Entführung.
    »Komm schon, wach auf!«, sagte er eindringlich und überlegte, dass sie im Bett besser aufgehoben wäre. Vorsichtig hob er sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer, wo er ihr den Mantel auszog und fürsorglich das Kopfkissen zurechtrückte. Die Beine legte er ein wenig höher, in der Hoffnung, dass ihr Kreislauf wieder in Gang kam.
    Und wirklich öffnete sie einige Minuten später die Augen und bemerkte, dass Michael neben ihr lag und ihr gerade eine Haarsträhne aus der Stirn strich. Er strahlte Ruhe und Sicherheit aus, die sie in diesem Augenblick so sehr brauchte. Anscheinend befanden sie sich im Schlafzimmer der Hotelsuite, und es drohte keine unmittelbare Gefahr mehr.
    Mansfield lächelte ihr aufmunternd zu, aber in seinem Blick lag auch Besorgnis.
    »Ich bin so eine Närrin«, seufzte sie.
    »Ja, das bist du«, erwiderte er, aber sein Ton war liebevoll, und er küsste sie auf die Stirn. Sie lächelte gequält.
    »Ich hätte nicht gehen dürfen«, murmelte sie und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. »Und ich hätte diese Dinge nicht sagen dürfen.« Karen hob die rechte Hand und berührte seine Lippen mit ihren Fingern. Sie war zu erschöpft, um den Kopf zu einem Kuss zu heben. »Ich wollte nicht noch mal in die Wüste fahren. Bitte entschuldige.«
    »Wusstest du, dass dieser Kerl in Ägypten ist?«
    »Nein.«
    »Wollte er den Djed-Pfeiler?«
    Sie nickte.
    »Hat er ihn bekommen?«
    »Natürlich nicht!«
    Mit schlaffer Hand zeigte sie auf ihren Mantel, der neben Mansfield auf dem Bett lag. »Der Djed-Pfeiler ist in der rechten Manteltasche. Gibst du ihn mir bitte?«
    Mansfield griff danach und reichte Karen das kleine weiße Tuch, in das er eingewickelt war. Vorsichtig nahm sie ihn aus dem Leinen und blickte versonnen auf den hellen Alabaster mit den roten und blauen Querstreifen. Es war, als ob ein Zauber zwischen ihr und dem Amulett liegen würde.
    »Du solltest ihn im Hotelsafe einschließen, bis wir Kairo verlassen«, meinte Mansfield.
    »Nein, ich gebe ihn nicht aus der Hand. Bei mir ist er sicherer als in einem Hotelsafe.«
    Mit einem leichten Nicken musste Mansfield ihr zustimmen, während er sich an das Treffen mit Lucass erinnerte. Der hatte zugegeben, dass die Pariser Unterwelt den geheimnisvollen Fremden für denjenigen hielt, der für den Einbruch in die ägyptische Abteilung im Louvre verantwortlich war. Dann würde auch ein Hotelsafe kein Hindernis für ihn sein.
    Behutsam wickelte Karen den Djed-Pfeiler wieder in das Leinen ein und steckte ihn in die rechte Hosentasche.
    »Ich werde ihn in Zukunft immer bei mir tragen. Das ist sicherer.« Sie lehnte sich mit einem Seufzer in die Kissen zurück. »Wirst du mich das nächste Mal daran hindern, eine Dummheit zu begehen?«
    In seine ernsten Augen trat zögernd ein leichtes Lächeln. »Wenn ich schnell genug bin.«
    »Ich mache es dir wirklich nicht einfach, nicht wahr?«
    »Du bist die Büchse der Pandora«, flüsterte er zärtlich und küsste sie auf die Lippen, »aber ich liebe dich.«
    Karen erwiderte seinen Kuss, doch plötzlich hielt sie inne.
    »Was ist?«, fragte Mansfield.
    »Müssen wir wirklich nach Siwa?«
    Ein leichtes Glitzern erschien in seinen Augen. »Nein, Darling«, antwortete er, »das Orakel kann warten.«

41
    Am nächsten Vormittag kamen Karen und Mansfield erst um halb zehn zum Frühstück. Die Erlebnisse des vergangenen Abends waren nicht spurlos an ihnen vorübergegangen, und so tranken sie ihren Kaffee, aßen aber nur wenig. Karen hatte sich in die Le Monde vertieft, und Mansfield blätterte in der New York Times , als er plötzlich bemerkte, dass Karen völlig verkrampft auf ihrem Stuhl saß. Sie

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