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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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dem Dach erinnerte.
    »Ich wäre aber auch beinahe abgestürzt«, murmelte sie und sah mit glasigen Augen zum Fenster hinaus. »Es fehlte nicht mehr viel.«
    Ihr Blick gefiel Mansfield senior nicht. Er merkte, dass sie in gefährliche Erinnerungen zurückfiel, und führte sie langsam in ihr Zimmer.

54
    Nach drei weiteren Tagen verließ Mansfield senior Paris, ohne mit seinem Sohn gesprochen zu haben. Erst am Mittwoch Vormittag berichtete eine Krankenschwester Karen, dass Mansfield aufgewacht sei und sie ihn am Nachmittag besuchen könne.
    Karen dankte Gott und fieberte dem Nachmittag entgegen, und doch fühlte sie sich hin und her gerissen. Wie sollte es mit Michael und ihr weitergehen? Wusste er, was sie wusste? Wenn nicht, sollte sie es ihm sagen? Und dann? Was würde er tun? Würde er sie auslachen? Nein, sie durfte es ihm nicht sagen.
    Zögernd trat sie am späten Nachmittag in Michaels Zimmer, blieb neben der Tür stehen und sah ihn an. Er bemerkte ihre Unsicherheit und hob mühsam zur Begrüßung seinen rechten Arm.
    »Hi, Darling«, krächzte er und bekam einen Hustenanfall, weil seine Luftröhre von den Beatmungsgeräten völlig ausgetrocknet war. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln.
    Langsam ging sie zu ihm und hauchte ein »Hi«, ehe sie ihm einen Kuss gab. Mansfield erwiderte den Kuss wie ein Ertrinkender.
    Karen zog sich umständlich einen Stuhl heran und setzte sich, während Mansfields Blick auf ihre blaue Armbinde fiel.
    »Du bist verletzt?«, fragte er.
    »Ein glatter Durchschuss. Es ist nicht schlimm.«
    Mansfield schluckte, als er sich an die letzten Sekunden in der Galerie erinnerte. Die Schießerei, der Fremde, was war geschehen? Wie lange war er bewusstlos gewesen? Karen lebte, das war das Wichtigste.
    Aber was war mit dem …l? Hatte er wieder versagt? So wie damals als Cha-em-weset und Lescot? Er versuchte in Karens Gesicht zu lesen. All seine Gedanken waren so neu – und doch so alt. Wusste sie Bescheid über das, was damals geschehen war? Der Pharao war in seinen Armen gestorben, und auch Bernhardts Tod hatte Lescot nicht verhindern können. Wusste sie es? Hatte der Fremde es ihr erzählt?
    Nein, es war zu verrückt. Und selbst wenn der Mann es getan hatte, Karen würde ihm nicht glauben.
    Mansfield warf ihr einen sehnsüchtigen Blick zu und griff nach ihrer Hand. Es tat so gut, sie zu spüren, sie zu berühren. Aber da war noch etwas, das ihm auf der Seele brannte. »Sag mir die Wahrheit, Karen, ist der Kerl entkommen?«
    »Nein, er ist tot. Du hast ihn mit einem deiner Schüsse erwischt.« Den Rest des Geschehens behielt sie vorerst für sich. Es wäre für ihn zu anstrengend gewesen, die ganze Geschichte zu hören.
    Erleichtert ließ er den Kopf ins Kissen sinken und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Er gönnte sich einige Sekunden, ehe er einen neuen Gedanken hatte. »Was ist mit dem …l? Hast du es noch?«
    »Nein.«
    Seine Augen weiteten sich ungläubig. Die Sinuskurve des EKGs machte riesige Sprünge.
    »Wie bitte?«
    Mit einem Lächeln legte sie ihren Kopf vorsichtig auf seine rechte Brustseite und spürte sein rhythmisches Ein- und Ausatmen. Es war ein so wunderbares Gefühl nach all den Tagen der Angst.
    »Beruhige dich, Michael. Das …l ist in Sicherheit. Es ist bei Kay.«
    Die Sinuskurve wurde wieder gleichmäßiger.
    »Gut. Und was ist mit Laurent?«
    »Er lebt. Es geht ihm sogar viel besser als dir.«
    »Gott sei Dank. Und Durel?«
    »Ihm ist nichts passiert.« Sie griff in ihre Bademanteltasche, zog die goldene Kette mit dem Horus-Anhänger heraus und legte sie Michael in die rechte Hand.
    Er fuhr mit dem Daumen über den stilisierten Falken und sah sie fragend an.
    »Ein Clochard hat sie in der alten Galerie gefunden. Er und sein Hund suchten einen trockenen Platz für die Nacht, als er deine goldene Kette auf den Treppenstufen fand. Er folgte seinem Hund die Treppe hinauf, wo sie dich auf dem Laufgang der Galerie liegen sahen. Der Clochard rief sofort mit deinem Handy den Notarzt und die Polizei an.«
    »Ein guter Mann«, murmelte Mansfield. »Jemand anders hätte die Situation ausgenutzt, meine Brieftasche, die Uhr und das Handy geklaut und wäre abgehauen.«
    Karen nickte. Sie wollte nicht daran denken, was ohne den Clochard geschehen wäre. Der alte Mann hatte Michael lebenswichtige Minuten geschenkt.
    »Und wieso war mein Horus jetzt bei dir? Hat der Clochard ihn dir geschenkt?« Das Denken und Kombinieren fiel ihm immer noch schwer.
    »Nein«,

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