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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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Nationalbibliothek nördlich des Palais Royal befinden oder ob sie schon in der neuen Bibliothek sind. Was glauben Sie?«
    Mansfield zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wir können es erst mal bei der alten probieren, und wenn sie dort nicht sind, gehen wir zur neuen. Aber diesmal fahren wir mit der Metro, okay? Das geht schneller.« Er warf ihr einen fragenden Blick zu. »Oder haben Sie Angst?«
    Karen hatte zwar ein ungutes Gefühl, sagte aber trotzdem: »Nein, die Metro ist in Ordnung.«
    Sie nahmen die Linie 4 Richtung Porte de Clignancourt und stiegen dann in die Linie 3 um. Der Metroausgang lag unmittelbar neben der alten Börse von Paris. Einen Moment lang hielten sie inne und betrachteten den von der Sonne beschienenen weißen Bau mit den korinthischen Säulen und der großen Freitreppe.
    »Hier soll früher ein Kloster der Dominikanerinnen gestanden haben«, sagte Karen. »Später haben die Royalisten es zu ihrem Tagungsort gemacht, und erst zu Napoleons Zeiten wurde dieser römische Tempel gebaut.«
    Mansfield betrachtete Karen, wie sie dort stand. Wie konnte man, wenn man dieses römische Gebäude sah, an ein Kloster und die Französische Revolution denken?
    Karen bemerkte seinen Blick und wurde sich erst jetzt bewusst, dass er auf sie wartete.
    »Entschuldigen Sie, ich war mit meinen Gedanken mal wieder ganz woanders. Aber es ist für mich immer wieder ein merkwürdiges Gefühl, vor alten Gebäuden zu stehen, die so viel Macht hatten und das Leben und das Schicksal vieler Menschen beeinflusst haben. Und dann, irgendwann, kommt die Veränderung. Sie verlieren ihre Macht, werden unbedeutend und sind schließlich nur noch ein Teil der Geschichte«, sagte sie, den Blick immer noch auf die Börse gerichtet. Dann plötzlich legte sie den Kopf in den Nacken und drehte sich zu Mansfield um.
    »Wie kommen wir jetzt auf dem kürzesten Weg zur Nationalbibliothek?«
    Er sah auf den Stadtplan. »Rue Vivienne würde ich sagen. Es ist nicht mehr weit.«
    Die Straße war schmal und zeugte von ihrer alten Geschichte. Die Häuser stammten aus der Zeit Kardinal Richelieus und Mazarins, und allein der Gedanke, dass diese großen Männer der französischen Geschichte die Häuser bauen ließen, faszinierte Karen.
    Schon bald konnte man erkennen, dass die rechte Häuserfassade von einem Hof, dem Jardin Vivienne, unterbrochen wurde, wo Bäume sich über den Gehweg beugten.
    »Sind Sie sicher, dass man hier in das Gebäude hineinkommt?« Karen sah zweifelnd auf den kleinen Hinterhof mit den verblassten goldenen Zacken des gusseisernen Zauns und der verblichenen Fassade der alten Bibliothek.
    »Auf jeden Fall ist dort gerade jemand aus der Tür herausgekommen, also muss es einen Durchgang geben. Wir probieren es einfach mal.«
    Die Tür des kleinen Nebeneingangs an der rechten Ecke des Gartens ließ sich tatsächlich von außen öffnen. Sie gelangten in ein prächtiges weißes Treppenhaus, an dessen Eingang sich eine Dame in einem kleinen Holzverschlag um die Belange der Besucher kümmerte.
    Karen ging sofort auf sie zu. »Pardon, Madame. Wir hätten gern eine Auskunft, ob sich diese Bücher noch in Ihrem Bestand befinden oder ob sie bereits in die Bibliotheque Nationale Mitterrand überführt worden sind.« Sie schob einen Zettel durch die kleine Glasöffnung und warf Mansfield einen leicht nervösen Blick zu.
    »Nein, Madame, tut mir Leid, diese Art von Büchern haben wir nicht mehr hier. In unseren Magazinen sind hauptsächlich alte Manuskripte, vornehmlich aus dem Mittelalter, und die Münzsammlung antiker Stücke. Außerdem noch Kupferstiche, Karten und Pläne, falls Sie dazu eine Frage haben. Aber das gesamte Repertoire der wissenschaftlichen Bücher ist in die BNM am Tolbiac überführt worden. Wissen Sie, wie man dorthin kommt?«
    Karens Schultern sackten leicht zusammen. »Ja, wir wissen, wo das ist. Vielen Dank. Au revoir.«
    »Au revoir.«
    »Und nun?«, fragte Mansfield.
    »Wollen wir uns nicht ein wenig umschauen, wenn wir schon mal hier sind? Immerhin war dies bis 1998 die Nationalbibliothek Frankreichs.«
    Mansfield nickte widerwillig und ließ Karen vorangehen. Sie gelangten in einen schmalen Korridor, der das eigentliche Vestibül zum Haupteingang der Nationalbibliothek war. Durch eine der Türen kamen sie zum alten Lesesaal, dem Salle de Travail, den man aber nicht betreten konnte, da er verschlossen und nur durch einen Holzverschlag mit großen Sichtfenstern zu betrachten war. Trotzdem begannen Karens

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