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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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in New York denken, die sich alle von diesem Bauwerk deutlich abgrenzten. »Schließlich ist der Eiffelturm ein Mythos.«
    Gemütlich schlenderten sie die Allee des Marsfelds entlang, als Mansfield bemerkte, wie Karens Blick immer wieder über die große Grasfläche hinwegglitt. Er sah sich um, konnte aber außer einigen Touristen nichts Ungewöhnliches erkennen. »Haben Sie Angst, dass der Kerl hier irgendwo rumläuft, oder warum beobachten Sie jeden Baum und Grashalm?«
    Karen zuckte leicht zusammen, als Mansfields Stimme in ihre Gedanken drang. »Es ist nicht wegen dieses Kerls.«
    »Warum dann?«
    Sie blickte versonnen zu der parallel verlaufenden Allee auf der anderen Seite des Felds und schaute dann zurück zur hohen Kuppel der Militärakademie. »Dies ist das Marsfeld«, antwortete sie, als ob diese einfache Aussage alles erklären würde.
    Mansfield hob eine Augenbraue, was sie wegen seiner Sonnenbrille nicht sehen konnte. »Ja und?«
    Sie schleuderte mit ihren Sandalen ein wenig von dem feinkörnigen Sand hoch.
    »Ich musste gerade daran denken, was dieser Ort für Kardinal Richelieu und später für die Französische Revolution bedeutet hat. Auf diesem Feld sind Feste gefeiert worden, aber hier wurde auch Blut vergossen. Es ist ein Ort der Freude und des Leidens.«
    Mansfield sah in ihr Gesicht, das widerspiegelte, wie sehr dieses innere Bild sie bedrückte. Er warf einen weiten Blick über das Marsfeld und den Eiffelturm, als auch bei ihm unerwartet ein Bild auftauchte.
    »Wissen Sie, woran ich gerade denken muss? Ich sehe viele Pavillons und Menschen auf diesem Platz, die sich alle auf der Weltausstellung von 1900 amüsieren wollen.«
    Karens Fuß katapultierte einen kleinen Stein in ein nahes Blumenbeet, als sie über Mansfields Bild lächeln musste.
    »Sie haben Recht, Michael, es ist idiotisch, an diese alten Dinge zu denken. Vergessen Sie’s.« Sie blickte unter den braunen Eisenträgern des Eiffelturms hindurch zum Palais de Chaillot. Zwischen ihren Augen bildete sich eine kleine Falte.
    »Da fehlt etwas«, sagte sie mehr zu sich, aber Mansfield hatte es gehört und schaute zu dem weißen Gebäude mit seiner berühmten Terrasse und den Wasserfontänen.
    »Sie meinen das Chaillot? Früher stand dort der Trocadéro, falls Ihnen das etwas sagt, aber man hat ihn abgerissen und dann dieses Palais gebaut. Gefällt es Ihnen nicht?«
    Karen suchte in ihrem Kopf nach einer Erinnerung und sah auf einmal ein altes Bild, das ein Gebäude mit maurischen Türmen zeigte. Es war nicht besonders hübsch, aber ungewöhnlich auffallend für das Pariser Stadtbild, während das jetzige Chaillot mit seinen schmucklosen blockartigen Flügeln nüchtern wirkte.
    »Nicht ganz mein Geschmack«, gab sie zu und drehte sich um. Sie waren inzwischen unter dem Eiffelturm angekommen, und Mansfield wollte auf den Südpfeiler zugehen, als er bemerkte, dass Karen sich auf ein halbhohes Absperrgitter setzte. Er sah sie verwundert an. »Wollen Sie noch einen Augenblick warten oder …«
    »Nein, ich komme nicht mit hoch. Tut mir Leid, dass ich Ihnen das nicht schon früher gesagt habe, aber ich bin nicht schwindelfrei.«
    »Sie wollen Paris verlassen, ohne auf dem Eiffelturm gewesen zu sein?«
    »Stimmt genau.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Ist aber so.«
    »Und was werden Sie Ihren Freunden zu Hause erzählen? Ja, ich war in Paris, und ja, ich war auch beim Eiffelturm, aber nein, hinaufgetraut habe ich mich nicht?«
    »Meine Freunde würden das verstehen.«
    Mansfield atmete tief durch. »Entschuldigung«, sagte er reumütig. »Ich wollte Sie nicht verletzen, aber die Aussicht soll wirklich fantastisch sein. Sogar noch besser als die von Sacré-Cœur oder vom Printemps.«
    »Das mag sein, aber ich werde es nicht darauf ankommen lassen.«
    »Ich bin doch bei Ihnen.«
    »Ist das eine Hilfe, wenn mir übel wird?«
    »Ich könnte Sie festhalten, wenn Sie sich über das Geländer beugen.«
    »Sie verstehen es wirklich, einen aufzubauen, Michael.«
    Er machte noch einen letzten Versuch. »Glauben Sie wirklich nicht, dass Sie es schaffen könnten? Sehen Sie, ich denke, man sollte seine Phobien bekämpfen, ehe sie einen beherrschen. Meinen Sie nicht auch?«
    »Sicher, aber ich muss nicht unbedingt heute damit anfangen.« Sie lächelte entschuldigend. »Hören Sie, Michael, Sie können noch stundenlang mit mir weiterdiskutieren oder jetzt den Eiffelturm hochgehen und die Stadt genießen. Wofür auch immer Sie sich entscheiden werden, ich für

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