Das weiße Amulett
so.«
Karen seufzte. »Ich weiß. Aber das ist nicht immer einfach. Das Alte lässt einen manchmal nicht los.«
Sie gingen in das Gebäude, wo Karen sich zielstrebig zu einem jungen Mann an die Informationstheke stellte und ihn nach Büchern des Professors fragte. Er tippte eine Suchabfrage in den Computer ein, doch schien ihn die Antwort nicht zu befriedigen. Er stutzte kurz und gab eine weitere Anfrage ein.
»Sind Sie sicher, dass dieser Bernhardt jemals Bücher in Frankreich veröffentlicht hat, Madame?«
Karens Blick verfinsterte sich. Der zweifelnde Ton des jungen Mannes gefiel ihr nicht. »Das hat er. Sie wurden zwischen 1880 und 1907 gedruckt. Hier in Paris!«
Der Bibliotheksangestellte tippte eine Abfrage in den Computer ein, in der er sich auf den Zeitraum zwischen 1850 und 1920 beschränkte, doch auch dies führte zu keinem Ergebnis.
»Es tut mir Leid, Madame, aber in unserem Magazin haben wir keinen Eintrag zu einem gewissen Gerald Bernhardt, weder zu den genannten Jahrgängen noch früher oder später. Kann ich Ihnen vielleicht mit einer anderen Auskunft weiterhelfen?«
Karen verneinte mit einem Kopfschütteln und trottete an Mansfields Seite zur Tür hinaus. Sie konnte es nicht glauben.
»Das ist völlig unmöglich«, sagte sie und setzte sich vor der Bibliothek auf eine niedrige Steinmauer. Mansfield ließ sich wortlos neben sie nieder. »Hier werden alle Bücher aufbewahrt, die in Frankreich jemals veröffentlicht wurden. Es ist … es ist die Nationalbibliothek! Sie müssen seine Bücher einfach im Bestand und in den Listen haben. Es geht gar nicht anders.« Karen war völlig konsterniert. Mansfield merkte, wie sie innerlich zusammensackte. Es war für sie bereits der vierte Fehlschlag innerhalb von zwei Tagen. Es schien, als hätte sich alles gegen sie verschworen.
»Vielleicht hat der Bibliotheksangestellte sich bei der Computereingabe vertippt?«, schlug er vor, doch er glaubte es selbst nicht. Ganz im Gegenteil, der junge Mann hatte einen kompetenten Eindruck gemacht.
»Blödsinn«, erwiderte Karen. »Er hat es doch mehrmals versucht.«
Mansfield nickte. »Aber … vielleicht hat er nichts gefunden, weil es keine Einträge gibt?«
»Muss es aber!«, sagte Karen energisch. »Es muss Einträge im Register geben.«
»Ja«, stimmte ihr Mansfield zu, »aber vielleicht hat sie jemand gelöscht?«
Karen starrte ihn an, als käme er aus der Irrenanstalt. »Wie bitte? Warum sollte das jemand tun?«
»Kurze Gegenfrage: Warum sollte jemand in der Sorbonne die Unterlagen des Professors mit Salzsäure zerstören?«
»Sie meinen …« Karen konnte es nicht aussprechen. Es schien unfassbar. »Aber ich verstehe es nicht. Warum sollte jemand verhindern, dass ich etwas über den Professor herausfinde?«
»Sie sollten sich das nicht so sehr zu Herzen nehmen, Karen. Sie werden bestimmt noch genug Material für Ihre Monographie finden, da bin ich mir sicher.«
Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Genauso sicher wie ich es war, bevor ich nach Paris kam?«
Mansfield stöhnte. »Wie kann ich Sie nur wieder aufheitern?«
Karen machte eine hilflose Geste. »Zaubern Sie mir eins dieser vier Bücher her.«
»Okay, später. Aber zuerst fahren wir zum Eiffelturm und kaufen uns dort ein Eis. In Ordnung?«
Sie schien kurz zu überlegen, dann entspannte sich ihr verärgertes Gesicht. »Einverstanden«, sagte sie mit einem resignierenden Lächeln. »Das Eis bezahle aber ich.«
Er grinste. »Wie Sie wünschen.«
Sie fanden keinen Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Eiffelturms und ließen den Wagen deswegen bei der École Militaire, die das Marsfeld am südöstlichen Ende abschloss, stehen. Ein warmer Windhauch umwehte Karen, als sie aus dem Wagen stieg und die Sonnenbrille aufsetzte, während Mansfield sein Jackett in den Kofferraum legte und sie mit wenigen Schritten einholte.
Trotz seiner dreihundert Meter Höhe war der Eiffelturm nicht sofort zu entdecken, aber nach der nächsten Häuserecke ragte der imposante Stahlturm plötzlich vor ihnen auf und streckte sein stolzes Haupt dem blauen wolkenlosen Himmel entgegen. Karen deutete mit dem Kopf auf das Wahrzeichen von Paris.
»Das ist für Sie wohl nichts Besonderes, da Sie jeden Tag Wolkenkratzer und hohe Stahlgerüste sehen, oder?«
Auch Mansfield setzte seine Sonnenbrille auf und betrachtete das Prunkstück der Weltausstellung von 1889. »Das ist wohl kaum miteinander zu vergleichen.« Er musste an die Brooklyn Bridge und die Freiheitsstatue
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