Das weiße Amulett
zurück. »Und was hat dieser Pharao mit Madame Alexandre zu tun?«
»Sehr viel, wie mir scheint.« Er sah Karen an. »Der Djed-Pfeiler und der Dolch aus dem Louvre stammen aus dem Grab dieses Pharaos.«
»Wie ist das möglich?«
Escard lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»1798 sind dem Louvre nach Napoleons Feldzug in Ägypten viele antike Stücke zum Kauf angeboten worden, darunter auch diese Artefakte.«
»Und warum sind nicht noch mehr Gegenstände von diesem Pharao aufgetaucht, wenn das Grab schon 1798 entdeckt wurde?«
»Weil es wieder verloren ging. Es war nicht das Einzige. Durch Wasser- und Geröllstürze kam es immer wieder vor, dass Grabeingänge zugeschüttet wurden und in Vergessenheit gerieten.« Er reichte ihr zwei weitere Briefe. »Ich habe den Termin mit dem Kurator der Ägyptischen Abteilung für vierzehn Uhr vereinbart, wenn es Ihnen recht ist.« Der eine Brief war aus dem Büro des Kurators und der zweite von einem amerikanischen Archäologen, der Karen nach Ägypten einlud.
Sie sah Escard verwirrt an. Seine letzten Worte schwirrten noch in ihrem Kopf herum. »Vierzehn Uhr wird gehen. Selbstverständlich. Aber … Ägypten?«
»Was ist denn mit Ägypten?«, fragte Mansfield, während Karen ihm wortlos die beiden Briefe reichte. Er überflog rasch die wenigen Zeilen und pfiff anerkennend durch die Zähne. »George Kennard – von dem habe ich schon mal gehört. Guter Archäologe.« Er gab Karen die Briefe zurück. »Sie scheinen hervorragende Kontakte zu haben, Monsieur Escard.«
»Ich nicht, Monsieur Mansfield, aber der Rektor der Sorbonne.«
»Selbstverständlich.« Mansfield nickte.
Escard wandte sich wieder Karen zu. »Madame Alexandre, Monsieur Artois bittet Sie, nach Luxor zu reisen, um von dort einige Artefakte nach Paris zu überführen.«
Karen sah ihn erstaunt an. »Haben Sie dafür denn keine Angestellten? Oder Studenten? Ich meine, ich habe so etwas noch nie gemacht.«
»Doch natürlich, aber Monsieur Artois wünscht ausdrücklich, dass Sie es diesmal übernehmen. Es ist überhaupt nicht kompliziert. Sie werden die Kisten einfach nur begleiten. Mehr nicht. Monsieur Artois hat bereits mit Monsieur Reinhold in Hamburg gesprochen, der seinem Anliegen sofort zustimmte.« Escard blickte in Karens überraschtes Gesicht, in das allmählich ein Leuchten trat.
»Ägypten«, murmelte sie und blickte auf eine kleine Isis-Statue, die auf Monsieur Escards Schreibtisch stand. »Ich wollte schon immer mal nach Ägypten. Das ist ein alter Traum von mir. Und Monsieur Reinhold hat dieser Reise bereits zugestimmt?«
Escard nickte. »Sie brauchen sich nicht heute zu entscheiden, Madame. Rufen Sie mich an, Sie haben ja meine Nummer«, sagte er, erhob sich und brachte beide zur Tür.
Draußen im Hof der Sorbonne blickte Karen zu dem strahlend blauen Himmel über Paris und konnte kaum glauben, was geschehen war.
27
Der Kurator der Ägyptischen Abteilung des Louvre fuhr mit seinem schweren Rollendrehstuhl auf dem Linoleum-Fußboden hin und her. Nur selten empfing er Gäste in seinem Büro, weil sie meistens von seinem Sekretär abgefangen wurden. Aber diesmal musste er eine Ausnahme machen, da Monsieur Escard ihn darum gebeten hatte. Und es konnte nur von Vorteil sein, sich dessen Wohlwollen zu sichern.
»Ich habe schon ein wenig in unseren Magazinen nachforschen lassen, Madame Alexandre. Laut unseren Unterlagen waren wir ursprünglich im Besitz von zehn Djed-Pfeiler-Amuletten, die aus dieser Cachette stammten, die 1798 gefunden wurde.« Er sah in seine Mappe mit den Unterlagen. »Zwischen 1900 und 1907 erhielt mein damaliger Kollege bezüglich der Amulette Anfragen von Universitäten aus ganz Europa. Die Artefakte wurden verschickt, aber leider aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr zurückgegeben. Wie ich den Unterlagen hier entnehme, wurden die Amulette offenbar schon nach kürzester Zeit gestohlen oder verschwanden auf ominöse Weise. Immerhin blieben uns zwei Exemplare aus der Cachette erhalten.«
Er deutete auf einen kleinen schwarzen Karton, der rechts neben ihm stand, entnahm ihm einen in Papier gewickelten Gegenstand und reichte ihn Karen.
»Sie wissen sicherlich, dass es vor kurzem einen Diebstahl in unserer Ägyptischen Abteilung gegeben hat. Es ist mir schleierhaft, weshalb ausgerechnet der Dolch und der Djed-Pfeiler mitgenommen wurden, die in keinerlei Hinsicht die wertvollsten Ausstellungsstücke waren. Jedenfalls ist das Amulett, das Sie hier sehen, das letzte
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