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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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der Exemplare aus der Cachette.«
    Während Karen vorsichtig das Papier öffnete, fragte Mansfield den Kurator: »Gibt es schon irgendwelche Hinweise auf den Täter?«
    »Unsere Videoaufzeichnungen zeigen für einen kurzen Moment einen großen, hageren Mann, aber die wenigen Bilder genügten nicht für eine Beschreibung, geschweige denn für ein Phantombild. Leider.«
    Karen und Mansfield warfen sich einen wissenden Blick zu. Dann begutachtete Karen den kleinen Schatz in ihrer Hand. »Es ist zerbrochen?«
    Das Amulett war in fünf größere und mehrere kleinere Stücke zerbrochen, von denen Karen eins nach dem anderen liebevoll in die Hand nahm. Sie sog jede Einzelheit in sich auf, was der Kurator amüsiert beobachtete. Von solcher Schwärmerei war er seit über dreißig Jahren geheilt. Er bewegte sich jeden Tag zwischen den antiken Stücken und spürte ihre Einzigartigkeit nicht mehr. Im Gegenteil, die Verwaltung dieses enormen Schatzes war äußerst anstrengend und verantwortungsvoll.
    Karen nahm einen größeren Teil des Amuletts zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte ihn hin und her. »Die Djed-Pfeiler waren hohl, nicht wahr?«
    »Ja, das stimmt«, erwiderte der Kurator. »Diese zehn Pfeiler waren die einzigen in unserer Sammlung, die innen einen länglichen Hohlraum besaßen. Bei diesem Exemplar wurde es erst festgestellt, als es von einem napoleonischen Soldaten fallen gelassen wurde.«
    »Und was ist drin gewesen – ein Papyrus, ein …l oder eine Salbe?«
    »In einem alten Brief, der uns vorliegt, berichtet einer der Soldaten, dass er und seine Kameraden diese Amulette von Einheimischen gekauft haben und sie zunächst nicht bemerkten, dass es sich um Behälter handelte. Erst als dieses Exemplar hinunterfiel und zerbrach, sahen sie, dass das Amulett mit einem …l gefüllt war. Sie öffneten daraufhin die anderen Amulette, und auch in ihnen befand sich dieses …l, wenn auch nicht immer in denselben Mengen. Sie dachten, es sei ein Schönheitsöl, und schmierten es sich auf die Haut, wahrscheinlich, weil einige stark unter Sonnenbrand litten und jede Abhilfe gern angenommen wurde. Aber es half ihnen nicht und roch sehr unangenehm, ja, es stank sogar.«
    Der Kurator sah, wie sich Karens Gesichtsfarbe allmählich veränderte. »Was haben sie dann damit getan?«
    »Sie haben versucht es zu trinken, aber es war ungenießbar.«
    »Und dann?«
    »Sie haben festgestellt, dass es sehr gut brennt, und haben es für ihre Petroleumlampen benutzt.«
    Karen wurde schwindlig. »Sie haben es … verbrannt?«
    »Ja, es hatte sonst keinen Wert für sie«, sagte der Kurator, dem diese Worte ebenfalls nur mit Widerwillen über die Lippen kamen.
    Auch Mansfield hatte einen trockenen Hals. Der Gedanke, dass das …l dreitausend Jahre überstanden hatte, um dann in einer simplen Petroleumlampe eines fremdländischen Soldaten zu verglühen, hätte die alten Ägypter sicherlich erzürnt. Mansfield merkte, dass es Karen nicht gut ging, und so drängte er auf ein schnelles Ende des Gesprächs und brachte sie nach draußen an die frische Luft. Dort stützte sie sich auf ein breites Treppengeländer.
    »Sie haben es verbrannt, Michael. Sie haben es tatsächlich verbrannt.«
    »Sie haben doch gehört, was der Kurator gesagt hat. Es hatte für sie keinen anderen Wert. Ich hätte Sie gern in deren Situation erlebt – als napoleonischer Soldat in einem heißen fremden Land, und Ihre Petroleumlampe hat kein …l mehr. Und warum haben Sie dem Kurator eigentlich nicht das Amulett zurückgegeben, das Ihnen beim ersten Überfall vor die Füße rollte? Es scheint doch Eigentum des Louvre zu sein.«
    »Hören Sie auf!« Karen wandte sich von ihm ab. Seine Worte waren wie Messerstiche.
    »Entschuldigen Sie. Ich wollte Ihnen nicht wehtun.« Er hätte ihr am liebsten tröstend über das in der Sonne leicht rötlich leuchtende Haar gestrichen, aber er hielt sich zurück und stellte sich nun sehr nahe neben sie ans Treppengeländer.
    Karen starrte vor sich hin. Ihre Gedanken begannen zu schwirren.
    »Bernhardt hat einen dieser Djed-Pfeiler mit der eingravierten Maat-Feder besessen. Lescot hat ihn beschrieben und aufgezeichnet. Ein weiteres Exemplar hat er zu Hopkins nach Cambridge geschickt, das dort aber nie ankam.«
    Mansfield versuchte sich die damalige Situation vorzustellen und sah das alte Labor vor sich. »Sie meinen also, dass er das …l erforschen wollte?«
    Karen nickte. »Der Assistent hat es in einem kurzen Moment der Unachtsamkeit auf

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