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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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erzählt?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Nichts Besonderes. Es ging um irgendeine Schießerei und dass ich weglaufen sollte.«
    »Mehr nicht?«
    »Nein, mehr nicht. Willst du darüber reden?«, fragte sie zögernd.
    Er schien es sich reiflich zu überlegen. Dann begann er zu erzählen: »Ich bin eine schwarze Metalltreppe raufgerannt. Es war dunkel um mich herum, aber auch ein bisschen hell. Da war irgendwie Licht rechts neben mir. Aber nur wenig. So wie von einer Lampe. Vor mir stand jemand. Er hatte eine Waffe in der Hand und wollte schießen. Mehr weiß ich nicht.«
    »Und was war mit mir?«
    Mansfield wich ihrem Blick aus. »Weiß ich nicht mehr.«
    »Und warum glaubst du, dass es nicht in New York war?«
    »Es war vom Gefühl her nicht New York. Ich kann das nicht erklären.«
    Karen nickte und ging zu einem der Fenster, um durch einen kleinen Schlitz hinauszugucken. Sie wollte ihn nicht zu sehr bedrängen. Vielleicht würde er ihr irgendwann mal mehr von dem Traum erzählen.
    Mansfield sah ihr nach und war froh, dass sie mit der Fragerei endlich aufhörte. Dieser Traum gab ihm sehr zu denken, denn er verfolgte und quälte ihn seit der Nacht, in der er Karen das erste Mal in Paris getroffen hatte. Immer wieder rannte und stolperte er in diesem Traum eine schwarze Treppe hinauf, und immer wieder erlebte er diese ausweglose Situation, von der er Karen nichts erzählen wollte.
    »Glaubst du, dass El Bahay sein Wort halten wird und wir hier morgen rauskommen?«
    Karen schaute auf die kleine enge Straße neben ihrem Gefängnis und sah, wie einige Kinder Esel vor sich hertrieben. »Nach eurem Streit würde ich darauf keine Wette mehr eingehen. Aber ich hoffe trotzdem, dass er uns nicht den Dorfbewohnern überlässt.«
    »Wieso? Ist er keiner von ihnen?«
    »Nein. Er war nur zur Hochzeit seines Neffen hier. Wenn er die Oase verlässt, ohne uns mitzunehmen, sieht es schlecht für uns aus.«
    »Na großartig«, murmelte Mansfield und sah missmutig auf seine Rolex, die er jetzt liebend gern für einen kurzen Spaziergang durch Manhattan hergegeben hätte.
    Doch wie sich zeigte, brauchte sich Mansfield keine Sorgen zu machen, denn am nächsten Morgen kam El Bahay und erklärte, dass er sie am Nachmittag nach Kairo zurückbringen werde. Sie müssten sich allerdings fesseln lassen und mehrere Stunden Augenbinden tragen.
    Mansfield stand daraufhin auf, ging auf El Bahay zu, der ihn eisig ansah, und hielt ihm die Uhr entgegen.
    »Bitte nehmen Sie sie wieder zurück, Mr El Bahay. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
    Der Ägypter reagierte nicht.
    »Außerdem wollte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mich aus der Wüste holen ließen. Das … das werde ich wohl nie wieder gutmachen können.«
    El Bahays Gesicht entspannte sich etwas. Er merkte, dass Mansfield es ehrlich meinte und wahrscheinlich keine neuen Beleidigungen folgen würden.
    »Diese Uhr ist Ihnen also Ihr Leben wert?«, fragte er wie ein Lehrer und wartete auf eine gute Antwort. Er war noch nicht bereit, die Uhr zurückzunehmen.
    »Nein. Mein Leben ist mir mehr wert als nur diese Uhr. Aber sie ist das Einzige, was ich Ihnen im Augenblick geben kann. Und ich will sie Ihnen geben.«
    »Freiwillig?« El Bahay blickte in Karens Richtung. »Soweit ich weiß, hatten Sie die Uhr zuletzt in der Hand.«
    »Sie meinen, ich war es, die die Uhr vor zwei Männern retten musste, die beide vor Wut nicht mehr klar denken konnten.«
    Ein kurzes Lächeln huschte über El Bahays Gesicht. Langsam griff er nach der Uhr und betrachtete das schöne Gehäuse mit seinen kleinen geometrisch angeordneten Diamanten.
    »Sie haben Recht, Mrs Alexander. Es wäre eine Schande gewesen, dieses Schmuckstück zu zerstören. Ich danke Ihnen.« Er nickte in Karens und Manfields Richtung und verschwand aus dem Zimmer.
    »Na, das war ja eine diplomatische Antwort von dir«, sagte Mansfield, als er sicher war, dass El Bahay ihn nicht mehr hören konnte. »Ich dachte schon, jetzt ist alles aus. Aber von dir lässt er sich offenbar mehr gefallen als von mir.«
    »Das muss an meinen wunderschönen Augen liegen«, sagte Karen und klimperte mit den Augenlidern.
    »Das könnte allerdings sein«, stimmte Mansfield ihr zu und fasste sie um die Taille. Für einen kurzen Moment sahen sie sich tief in die Augen, dann küsste er sie auf die Stirn, auf die Nase und auf den Mund. Beide genossen die Berührung. Sie spürten, dass ihre baldige Freilassung die Anspannung der letzten Tage löste. Zu viel hatten sie

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