Das weiße Amulett
aufhielten.
»Nein, lass Ägyptens Sonne hereinscheinen«, bat sie flüsternd und strich sanft über seine Schultern, während sie sich immer wieder eine neue Stelle für einen Kuss aussuchte. Als Mansfield sich umdrehte, sah er in ihren graugrünen Augen ein Verlangen, das er selbst schon seit Paris verspürte. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und ließ es geschehen, dass er sie langsam zum Bett schob.
»Michael?«
»Scht«, machte er und legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen, um sie am Sprechen zu hindern. In den nächsten Minuten hatte Karen nicht die geringste Chance, ein weiteres Wort zu sagen – und sie wollte es auch nicht mehr.
Und draußen schien Re und hielt seine schützenden Sonnenstrahlen über sie.
34
Als Karen am nächsten Morgen erwachte, lag ein leichter Duft nach Gräsern in der Luft. Verschlafen öffnete sie die Augen und blinzelte durch die offen stehende Tür ins Badezimmer, wo Mansfield gerade frisch geduscht vor dem Spiegel stand und sich die Zähne putzte. Er trug wieder nur das Handtuch um die Hüften und wandte den Kopf, als er merkte, dass sie sich im Bett bewegte.
»Hast du gut geschlafen?« Er war kaum zu verstehen, weil er die Zahnbürste im Mund hatte, während er zu Karen schlenderte. Sie stützte sich auf den Ellbogen und hob abwehrend die andere Hand.
»Wehe, du küsst mich mit diesem Zahnpastamund«, drohte sie spielerisch.
Der Gedanke schien ihm für einen Augenblick sehr verlockend, doch nach einem kurzen Zögern ging er mit einem anzüglichen Lächeln wieder ins Badezimmer.
»Was machen wir heute? Gucken wir uns die Pyramiden an, oder gehen wir auf den Basar?« Mansfield spuckte gutgelaunt die Zahnpasta ins Waschbecken und spülte den Mund mit frischem Wasser aus, während Karen überlegte.
Natürlich gab es in Kairo viel zu sehen, viel zu entdecken und zu erleben. Der Khan el Kahlili Basar war einer der größten der arabischen Welt und die Moscheen Kairos berühmt für ihre bunten Stuckornamente und Minarette. Aber das imposanteste Bauwerk des Landes stand in Luxor – der Tempel, an dem so viele Regenten in über siebenhundert Jahren einen einzigartigen Gebäudekomplex errichtet hatten. Dort musste sie hin.
»Willst du unbedingt auf diesen Basar?«, fragte sie zurück.
Mansfield hörte einen zweifelnden Ton in ihrer Stimme.
»Wir müssen nicht dorthin. Ich dachte nur, weil du so gerne Flohmärkte magst, wäre dieser Basar vielleicht eine große Attraktion für dich. Immerhin ist Kairo das Zentrum Ägyptens.«
»Ja, das stimmt schon«, erwiderte Karen, »Kairo ist das heutige Zentrum des Landes, aber damals war es Luxor beziehungsweise Weset. Ich möchte so schnell wie möglich dorthin. Und ins Tal der Könige zum Grab des unbekannten Pharaos.«
Mansfield hatte auf einmal das merkwürdige Gefühl, ihr Schmerzen zu bereiten, wenn er sie zu einem weiteren Tag in Kairo zwingen würde.
»Es zieht dich nach Luxor, gut, dann lass uns dort hinfahren.«
Sofort verschwand der graue Schimmer aus ihren Augen, und sie funkelten wieder smaragdgrün.
»Danke, Michael.« Karen lächelte zufrieden und ließ sich wie von einer schweren Last befreit in die Kissen zurücksinken. »Fliegen wir, oder nehmen wir den Zug?«
»Ich fahre nicht gern mit dem Zug«, erwiderte Michael, während er einen kurzen Schmerz in der Magengrube spürte. »Lass uns lieber fliegen.«
»Gut, aber das geht erst morgen. Wir müssen uns zuerst noch Hamzas Unterschrift besorgen. Er wird wohl inzwischen wieder in Kairo sein.«
Das große Gebäude der Ägyptischen Altertümerverwaltung war mit seinen vielen Büros und Angestellten wie ein Bienenschwarm. Erst nach der fünften Auskunft hatten Karen und Mansfield Hamzas Büro gefunden, aber der quirlige Ägypter hatte keine Zeit für sie. Er hatte gerade fünf Journalisten abgehängt und versuchte in seinem Büro die wichtigsten Dinge des Tages zu erledigen, als einer seiner Angestellten ihm Karens Schreiben und den Brief des Rektors der Sorbonne vorlegte. Hamza öffnete ihn sofort und las die wenigen Zeilen. Dann murrte er etwas, nahm Karens Papiere in die Hand und unterschrieb sie, nachdem er sie schnell überflogen hatte. Im selben Moment klingelte wieder das Telefon, und der Angestellte verließ eilig das Büro.
Zwar hätte Karen den berühmten Mann gern kennen gelernt, aber sie war froh, als sie wieder draußen im grüngoldenen Dämmerlicht der kleinen Gassen war und die Formalitäten hinter sich hatte.
Der Weg nach Luxor war
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