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Das weiße Amulett

Das weiße Amulett

Titel: Das weiße Amulett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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um heilige Katzen handelt, die im Tempel gehalten und verehrt wurden. Wir vermuten eher, dass es Haustiere der königlichen Familie waren, die man ihnen ins Jenseits mitgeben wollte. Solch eine Grabbeigabe hat man auch im Grab der Mer-en-ka-re gefunden, wo die einbalsamierte Mumie eines Pavians neben der Königin lag.«
    Mansfield betrachtete noch mal die Fotos. »Und gestorben sind sie alle an einem Gift?«
    »Einer Kombination aus Schlangen- und Pflanzengift. In geringer Dosierung ein schleichender Tod.«
    »Sie wären sonst noch älter geworden?«
    »Genau. In Fachkreisen bezeichnen wir sie inzwischen als ›die Unsterblichen!‹«
    Karen lief ein Schauer über den Rücken. Doch plötzlich kam ihr ein neuer Gedanke.
    »Warum hat man nie etwas von diesem Pharao gehört? Warum steht er nicht in den Königslisten von Abydos, im Turiner Papyrus oder in den Annalen bei Manetho?«
    »Das kann viele Gründe haben.« Dawson lehnte sich zurück. »Es liegt wohl daran, dass die Königslisten den Geburtsnamen der Pharaonen beinhalten. Wobei hier auch noch zwischen unter- und oberägyptischem Namen unterschieden werden muss, während die Tempel und Obelisken fast ausschließlich den Horusnamen des Pharaos nennen. Außerdem liegt uns Manethos Werk nicht mehr im Original vor, sondern nur noch in Abschriften von Flavius Josephus, Julius Africanus und von einer armenischen Übersetzung aus dem 5. Jahrhundert nach Christus, deren Genauigkeit angezweifelt wird. Dann gibt es noch Königslisten auf Stelen und Tempelwänden, die aber nicht unbedingt vollständig sein müssen, da der Pharao ungeliebte Vorfahren einfach nicht erwähnte. Es handelt sich hierbei um willkürliche Listen, so wie die von Abydos, wo Sie unter den sechsundsiebzig genannten oberägyptischen Herrschernamen die Ketzerkönige vergebens suchen werden und ebenso den Namen der Pharaonin Hatschepsut, deren Regierungsjahre sehr oft ihrem Stiefsohn und Ehemann Thutmosis III. zugerechnet wurden, als hätte sie nie existiert. Dieses Vorgehen haben wir wie gesagt sehr oft vorgefunden. Wir gehen inzwischen davon aus, dass es von ›den Unsterblichen‹ genauso viele Gegenstände und Skulpturen gegeben hat wie von den anderen Königen. Aber so wie es aussieht, sind ihre Namen sehr erfolgreich von ihren Nachfolgern zerstört oder übermalt worden. Und die Grabbeigaben wurden anscheinend wieder verwendet.«
    Karen fand Dawsons Darlegung äußerst unbefriedigend. »Das kann ich nicht glauben. Thutmosis III. hat auch versucht das Andenken von Hatschepsut zu zerstören, aber er hat es nicht völlig geschafft.«
    »Natürlich nicht. Die alten Ägypter waren davon überzeugt, dass alles, was geschrieben steht, wahr ist. Wenn man also einen Namen aus den Tempeln und von den Inschriften entfernt und ihn aus der Erinnerung der Menschen tilgt, zerstört man dessen Macht und Existenz. Es ist, als ob er oder sie nie gelebt hätte. Ein Unbekannter bleibt für immer und ewig ein Unbekannter. Man wollte damit seine Existenz vernichten – sowohl im Diesseits als auch im Jenseits. Und die Vorstellung der Nicht-Existenz war für einen Menschen aus dem alten Ägypten das Schlimmste und Unerträglichste, was ihm je passieren konnte. Davor hatte er sehr große Angst.«
    »Sie strebten also nach Unsterblichkeit?«
    Dawson wiegte den Kopf leicht hin und her. »Ja und nein. Einerseits war ihnen sehr bewusst, dass das, was wir heute Seele nennen und was die alten Ägypter in Ka, Ba und Akh aufteilten, nicht zusammen mit der Beendigung des irdischen Lebens stirbt. Aber die Totenbuchtexte zeigen andererseits eindeutig, dass sie Angst vor Ungeheuern der Unterwelt hatten und mit magischen Sprüchen Durchlass durch die Pforten erbaten. Erst wenn sie die Unterwelt gefahrlos durchquert hatten und ihr reines Herz beim Wiegen vor dem Totengericht gegen die Feder der Maat bestanden hatte, nahm Osiris sie in sein Totenreich auf. Nach dem Tod gab es also für einen Menschen viele Prüfungen zu bestehen, und im schlimmsten Fall konnte das Ka nicht mehr in die Mumie oder die Statuen zurückkehren und sich nicht mehr mit dem Ba vereinigen. Wer diese Umwandlung des umgestalteten Geistes nicht erreichte, war zu ewigem Tod verdammt. Das Leben nach dem Tod war für einen Ägypter also sehr gefährlich.« Dawson versuchte ein Grinsen zu unterdrücken. »Und so ließen die Pharaonen und die hohen Beamten die Totenbuchtexte und Unterweltsbücher vorsichtshalber in ihre Gräber meißeln, damit das geschriebene Wort zur

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